Spione, die die Welt bewegten
des Papstes. Dieser residierte zwar im fernen Rom, konnte aber über seine
Repräsentanten vor Ort die Fäden ziehen. Beide weltlichen Parteien versuchten zwar den Einfluss der Kirche und des Papstes
einzuschränken, waren aber bei der Dominanz von religiösen Ideen im Denken der Bevölkerung nicht immer erfolgreich und wurden
gegenseitig ausgespielt. Es gab Zeiten, in denen der Papst besonders geschickt die Uneinigkeiten der weltlichen Parteien ausnutzen
konnte und entscheidend die Richtungen der Politik bestimmte. Dabei verfügte der Papst nicht nur über eine geistige und religiöse
Macht, sondern war auch selbst Landesherr. Er regierte in Mittelitalien mit dem Zentrum Rom einen eigenen Kirchenstaat, der
ihm im Jahr 756 von dem Frankenherrscher Pippin geschenkt worden war.
Um seine Position gegenüber den eigenen Gefolgsleuten zu stärken und sich weitere Autorität zu verschaffen, nahm Karl der
Große als König der Franken als erster den Titel eines römischen Kaisers an. Zwar war das Weströmische Reich schon lange verschwunden,
doch der Titel eines Kaisers faszinierte die Mächtigen, und auch nach dem Ende des Frankenreiches wollten die Herrscher nicht
auf den Kaisertitel verzichten. Hier griff nun der Papst mit großem Erfolg |76| in das politische Geschehen ein. Er nahm sich das Recht heraus, dass nur er den König zum römischen Kaiser krönen durfte.
Das Kaisertum erlangte auf diese Weise eine religiöse Dimension, denn durch den Papst krönte Gott den Herrscher; zusätzlich
konnte sich der Herrscher noch in die Tradition der römischen Imperatoren einreihen. Hatte es ein einzelner Fürst endlich
geschafft, von den weltlichen Führern und Landesfürsten seines Reiches als König anerkannt zu werden, dann konnte er sich
noch lange nicht als Kaiser bezeichnen. Dieses Privileg der Kaiserkrönung hatte der Papst in Rom für sich vereinnahmt und
er nutzte es immer wieder zur Durchsetzung seiner eigenen Interessen aus. Allerdings glich dieses Privileg letztlich einer
Anmaßung und war unbegründet.
In der so genannten „Konstantinischen Schenkung“ wurde behauptet, dass der römische Kaiser Konstantin dem Papst das Recht
zuerkannt habe, dass nur er allein befugt sei, einen Kaiser zu krönen. Päpstliche Privilegien sollten durch dieses „Dokument“
praktisch für alle Zeiten gelten. Doch im 15. Jahrhundert konnte bewiesen werden, dass die „Konstantinische Schenkung“ niemals
existiert hatte und eine Fälschung gewesen ist. Um ihre im tieferen Sinn wenig religiöse Interessenspolitik vertreten zu können,
schreckten mittelalterliche Päpste nicht vor Fälschungen zurück. Entscheidend war für sie nur, dass Ansprüche und Rechtfertigungen
gegenüber einer weltlichen Macht klar untermauert und dokumentiert werden konnten.
Das Mittelalter war in Europa eine sehr religiöse Zeit, und der Lebensmittelpunkt der meist tiefgläubigen Menschen war nicht
selten stärker auf das Jenseits als auf das Diesseits gerichtet. Aussagen der Religion wurden kaum in Frage gestellt und genossen
absolute Priorität. Sie bestimmten das Leben. Drohungen mit dem Höllenfeuer wirkten deshalb immer, sie schüchterten ein und
machten die Bevölkerung gefügig. Mit dem Kirchenbann wurde Politik gemacht. Belegte der Papst den König mit einem solchen
Bann, fanden seine Gefolgsleute einen guten Grund, um abtrünnig zu werden. Auch ohne eine eigene militärische Macht hatte
der Papst somit die Möglichkeit, entscheidend in das politische Geschehen einzugreifen. Er musste nur immer hinreichend über
anstehende oder laufende Auseinandersetzungen zwischen dem König und seinen Gefolgsleuten informiert sein. Dafür benutzte
Rom ein vorzüglich ausgebautes Netz von Informanten und Spionen.
In der Übermittlung von geheimen Nachrichten war die Kirche in Europa führend. Dazu wurden Verschlüsselungssysteme aus dem
Römischen Reich erweitert oder auch völlig neue Systeme entwickelt. Häufig wurden Orte und Namen durch Decknamen ersetzt,
daneben wurden auch in bestimmten Worten Vokale mit anderen Buchstaben ausgetauscht. In den Texten gab es außerdem Trugzeichen,
die ohne Bedeutung waren und nur verwirren sollten. Absender und Empfänger besaßen einen so genannten „Nomenklator“, mit dessen
Hilfe die geheime Schrift gelesen werden konnte. In einem erhaltenen Brief an den König von Neapel teilte Papst Johannes XXII.
mit, dass seinen |77| Widersachern ein Dokument in die
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