Spione, die die Welt bewegten
Jahre 553 kehrten die beiden Mönche nach Konstantinopel zurück
und führten zwei Wanderstäbe aus Bambus mit sich, in denen Eier der Seidenraupen und Samen des Maulbeerbaumes versteckt waren.
Sie waren den Netzen des persischen Geheimdienstes entkommen, der hauptsächlich fremde Händler kontrollierte und scheinbar
harmlose Mönche durchgehen ließ. Seidenraupen und Maulbeerbäume gediehen in Byzanz prächtig und bildeten die Grundlage für
eine eigene Seidenproduktion. Später verbesserten byzantinische Weber ihre Produktionsmethoden für Stoffe und entwickelten
neuartige Techniken. Ihre kostbaren Seidenstoffe fanden in Europa reißenden Absatz und brachten viel Geld in die Staatskasse.
Wertvolle Seidenprodukte mussten von nun an nicht mehr den langen Weg über die Seidenstraße nehmen.
Bei der Waffenproduktion arbeitete der byzantinische Geheimdienst erfolgreich in die andere Richtung und verhinderte, dass
geheime Herstellungstechniken in das Ausland oder gar zu den Feinden des Reiches gelangen konnten. Besonders erfolgreich war
die Geheimhaltung der Herstellung des „griechischen Feuers“, dessen Erfindung im 7. Jahrhundert gelang und dessen Produktionsprozess
in keinem einzigen erhaltenen Dokument beschrieben wurde. Die Herstellung war absolutes Staatsgeheimnis und jeder Versuch
eines Verrates wurde sofort mit dem Tode bestraft. Erfinder war vermutlich Kallinikos, ein Techniker aus Heliopolis in Syrien,
der vor den Arabern nach Konstantinopel geflohen war. Er bot dem Kaiser sein Können an und erhielt sofort eine eigene Werkstatt,
ein Versuchsgelände und erhebliche Geldmittel. Das Rezept des „griechischen Feuers“ ist bis heute nicht genau bekannt. Nach
der Rekonstruktion bestand es hauptsächlich aus Erdöl, ungelöschtem Kalk, Schwefel und Salpeter sowie weiteren Zutaten wie
etwa Harzen und Salzen. Vermutlich entwickelte der ungelöschte Kalk durch den Kontakt mit Wasser eine große Hitze, die das
Erdöl und die anderen Zutaten zum Brennen brachte. Für Byzanz war das „griechische Feuer“ häufig kriegsentscheidend.
Im Frühjahr 678 stand das von den Arabern schon lange belagerte Konstantinopel kurz vor dem Fall. Die byzantinische Flotte
wagte einen verzweifelten Ausfall und steuerte auf dem Marmarameer die weit überlegene arabische Flotte an. Kurz vor dem Kontakt
schossen plötzlich byzantinische Schnellruderboote mit einem langen Rohr am Bug nach vorne und verspritzten trotz des arabischen
Pfeilhagels mit Pumpen eine Flüssigkeit, die sofort Feuer fing. Wie mit einem Flammenwerfer wurden die arabischen Kriegsschiffe
angezündet und brannten lichterloh. Es brach Panik aus und die gesamte Flotte wurde vernichtet. Die Niederlage war so gewaltig,
dass der Kalif später um Frieden bat, bereit war, Tribut zu zahlen und arabische Heere von nun an um Byzanz einen Bogen machten.
Im Jahr 717 wurde es dann für Konstantinopel erneut gefährlich. |73| Spione hatten Kaiser Anastasios II. berichtet, dass die Araber einen Feldzug gegen sein Reich planten. Er schickte eine Gesandtschaft
zum Kalifen, um Friedensverhandlungen zu führen. Die Hauptaufgabe der Gesandtschaft aber war, den Stand der Rüstung bei den
Arabern zu beobachten. Die Berichte der Spione wurden bestätigt. Der Kaiser ließ deshalb die Befestigungsanlagen der Hauptstadt
weiter ausbauen und legte ein Flottenprogramm auf. Eine Revolution beendete allerdings die Herrschaft des Kaisers und tatsächlich
kam es noch 717 zu einem arabischen Angriff, der jedoch erneut mit dem „griechischen Feuer“ abgewehrt werden konnte. Erst
viele Jahrhunderte später sollte Konstantinopel erneut belagert werden.
Auch bei der Abwehr von Belagerungen und bei Schlachten war das „griechische Feuer“ erfolgreich. Die selbstentzündliche Flüssigkeit
wurde in große verschlossene Tonkrüge gefüllt und dann mit Katapulten verschossen. Anschließend schlugen die Tonkrüge wie
Brandbomben beim Gegner ein. Im Jahre 941 wurde eine russische Invasionsflotte aus einigen tausend Schiffen durch das „griechische
Feuer“ von vermutlich nur 15 Schiffen völlig aufgerieben. Die fertige Mischung des „griechischen Feuers“ fiel zwar den Gegnern
von Byzanz manchmal in die Hände, doch selbst herstellen konnten sie die rätselhafte Flüssigkeit nie.
Drehscheibe Byzanz
In seiner Blütezeit war Konstantinopel ein Spionagezentrum, etwa vergleichbar mit den Städten Berlin und Wien während des
Kalten Krieges. Es
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