Spione, die die Welt bewegten
Abschied wurden kostbare Geschenke wie etwa Goldschmuck oder wertvolle Seidenstoffe verteilt.
Waren Gäste dagegen unwillkommen, wurde ihnen ein anderes Verhalten geboten. Liutprand von Cremona reiste im Jahre 968 im
Auftrag des deutschen Kaisers Otto I. zum byzantinischen Kaiser Nikephoros II. Liutprand war allerdings unwillkommen, denn
der byzantinische Kaiser lag damals mit Otto I. im Streit. Das Protokoll zeigte Liutprand, dass auf seinen Besuch kein Wert
gelegt wurde. Liutprand durfte zwar die Grenze passieren, aber er musste selbst sehen, wie er nach Konstantinopel kam. In
der Hauptstadt erhielt er in einem schmutzigen Gebäude winzige Zimmer und einen Diener, der sich bewusst dumm anstellte und
vieles falsch machte. Zum kaiserlichen Palast musste er zu Fuß gehen und der Empfang war eisig. Beim Festmahl erhielt er seinen
Platz am äußersten Ende der Tafel, während sonst unwichtige Personen direkt neben dem Kaiser platziert wurden. Abschiedsgeschenke
gab es nicht, und Liutprand kaufte sich deshalb selbst einige Seidengewänder. Später beschlagnahmten kaiserliche Beamte die
Gewänder und bezichtigten Liutprand des Schmuggels.
Manchmal wurden jedoch die Feinheiten des byzantinischen Protokolls von abendländischen Gästen nicht verstanden. Zu Beginn
der Kreuzzüge waren |71| die abendländischen Ritter hochwillkommen, denn der byzantinische Kaiser hoffte auf Verbündete im Kampf gegen die islamischen
Feinde seines Reiches. Die Kaisertochter Anna Komnene berichtete einmal über eine Audienz von Kreuzrittern bei ihrem Vater.
Das Heer aus normannischen und französischen Rittern lagerte vor der Stadt und eine Abordnung von ihnen wurde in den Palast
gebeten. Die Ritter waren zwar von der Pracht beeindruckt, doch das endlos lange Zeremoniell langweilte sie. Der Hof versuchte
die Gäste förmlich mit einem Protokoll einzuwickeln und ihnen zu schmeicheln, was jedoch dieses Mal nicht gelang, zumal die
Ritter vor dem Kaiser stehen mussten. Robert von Paris, ein gefürchteter „Schlagetot“, dauerte die Angelegenheit schließlich
zu lang. Er ging schnurstracks auf den Kaiser zu und murmelte nach der Überlieferung: „Herr Kaiser, rückt ein wenig auf eurer
Bank, ich bin des Herumstehens müde!“ Mit seiner wuchtigen Gestalt drückte er den Kaiser zur Seite und setzte sich danach
neben ihn auf den Thron. Während der Hofstaat erstarrte, brachen die Ritter in ein schallendes Gelächter aus.
Wirtschaftsspionage
Vermutlich ist die Wirtschaftsspionage noch älter als die militärische Spionage. Es ist anzunehmen, dass schon die Sippen
der ersten Jäger- und Sammlerkulturen ihre Jagdgründe oder Fundstätten für nahrhafte Pflanzen streng geheim hielten, aber
größtes Interesse hatten, ihre Nachbarsippen wegen eben dieser Geheimhaltung auszuspähen. Im alten Ägypten war die Papyrusproduktion
Staatsgeheimnis, denn mit dem Export der Schreibblätter konnte viel Geld verdient werden. Die ägyptische Kunst zeigt das Wachstum
und die Ernte des Papyrus, aber niemals die Herstellung der Papyrusblätter.
Byzanz wurde durch den Handel und die Produktion von Luxusgütern reich, und Konstantinopel war ein Marktplatz für solche Waren.
Um 1180 sollen in der Stadt rund 60 000 ausländische Händler gelebt haben, die jedes erdenkliche Produkt anboten. Für den Handel gab es strenge Kontrollen, und
Preise, Zinsen oder Löhne wurden überprüft. Händler, die mit falschen Gewichten wogen, kamen in einer zentralen Straße an
den Pranger, so dass sich die Leute genau merken konnten, wer sie betrogen hatte.
Wertvolle Seide aus China fand meist über Byzanz seinen Weg nach Europa und war wegen der großen Nachfrage so teuer wie Gold.
Byzanz selbst erhielt seine Seide durch die Perser, die wegen der enormen Gewinne eifersüchtig verhinderten, dass fremde Händler
bis nach China reisen konnten. Für die Chinesen war die Seidenproduktion ein Staatsgeheimnis. Doch durch eine groß angelegte
Spionageaktion gelang es Byzanz dieses Geheimnis aufzudecken: Während der Regierungszeit von Kaiser Justinian I. sprachen
zwei Nestorianer Mönche beim Kaiser vor und boten ihm an, das Rätsel der Seidenproduktion zu lüften. Der Kaiser war begeistert,
denn bisherige Spionageaktionen |72| hatten nur Hinweise auf Verarbeitungstechniken aber nicht auf die Rohstoffe selbst geliefert. Er stattete die Mönche mit Finanzmitteln
aus und schickte sie in den von China besetzten Teil Indiens. Im
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