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Spione kuesst man nicht

Spione kuesst man nicht

Titel: Spione kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Carter
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verlassen, als der Brieföffner durch die Luft sauste, und zwar keinen Fußbreit von ihren glänzenden Haaren entfernt. Er flog aus Mr Solomons Hand direkt auf Mrs Buckinghams Kopf zu. Das Ganze dauerte nicht mal einen Wimpernschlag lang. In der einen Sekunde erklärte Macey, dass alle Privatschulen gleich waren, und in der nächsten riss Patricia Buckingham einen Band Krieg und Frieden aus dem Regal und hielt ihn sich vors Gesicht, während der Dolch das Leder durchbohrte.
    Lange Zeit war nichts anderes zu hören als das Schwingen des Brieföffners, der aus dem Buch ragte und wie eine Stimmgabel summte, die nach einem eingestrichenen C suchte. Dann beugte sich meine Mutter über den Schreibtisch und sagte: »Du wirst feststellen, dass wir andere Dinge lehren als deine ehemaligen Schulen.«
    »Was …«, stammelte Macey. »Was … was … sind Sie verrückt?«
    Meine Mutter fing an, die Geschichte der Schule abzuspulen, und zwar die ungekürzte Fassung. Sie begann mit Gilly und verwies dann auf Highlights wie die Tatsache, dass Gallagher Girls sich gegenseitig manikürt hatten und dabei herausfanden, dass keine Fingerabdrücke gleich waren, und ein paar andere höchst einträgliche Kreationen. (Gaffa-Tape hat sich nämlich nicht von alleine erfunden!)
    Als Mom zu Ende geredet hatte, sagte Bex mit ihrem echten Akzent anstatt dem geografisch neutralen Tonfall, den Macey bis jetzt vernommen hatte: »Willkommen an der Spionageschule!« Ich merkte, dass Macey die Informationsflut langsam zu viel wurde, wobei Jessica natürlich überhaupt keine Hilfe war.
    »Macey, ich weiß, dass das alles eine riesige Umstellung für dich bedeutet, und deshalb hat meine Mutter, die der Verwaltung der Gallagher Akademie angehört, mich aufgefordert, dir zu helfen –«
    »Danke, Jessica«, sagte Mom wieder und unterbrach sie erneut. »Vielleicht kann ich die Dinge ein bisschen deutlicher machen.« Mom langte in ihre Tasche und holte etwas heraus, das wie ein ganz gewöhnliches silbernes Puderdöschen aussah. Sie machte den Deckel auf und berührte den Spiegel mit ihrem Zeigefinger. Ich sah, wie ein Licht ihre Fingerspitze abtastete, und als sie das Döschen wieder zuklappte, drehte sich die Welt um Macey McHenry, während der ganze Code-Red-Prozess den Rückwärtsgang einlegte. Die Bücherregale hatten eine Woche lang in die falsche Richtung geblickt – jetzt drehten sie sich, um ihre wahre Seite zu zeigen. Disney World verschwand im Foto auf Moms Schreibtisch, und Liz kramte ihr Portugiesisch lange genug hervor, um »Sera que ela vai vomitar?« zu fragen. Aber ich schüttelte den Kopf, weil ich echt nicht wusste, ob Macey sich übergeben würde oder nicht.
    Als sich nichts mehr drehte, umringten Macey Geheimnisse aus mehr als hundert Jahren, aber sie wartete nicht ab, bis sie das alles begriff, sondern kreischte los: »Ihr habt sie ja wohl nicht mehr alle!« Und stürmte zur Tür. Leider war Mr Solomon ihr einen Schritt voraus. »Aus dem Weg!«, schrie sie böse.
    »Sorry«, sagte er lässig. »Ich glaube nicht, dass die Schulleiterin schon fertig ist.«
    »Macey.« Die Stimme meiner Mutter klang ruhig und vernünftig. »Ich weiß, dass das alles ein Schock für dich ist. Aber wir sind wirklich nur eine Schule für außergewöhnliche junge Frauen. Unser Unterricht ist anspruchsvoll. Unser Lehrstoff ist einzigartig. Aber du kannst alles, was du hier lernst, überall in der Welt anwenden. So, wie du es für richtig hältst.« Moms Augen wurden schmal und ihre Stimme hart, als sie hinzufügte: »Wenn du bleibst.«
    Als Mom vortrat, wusste ich, dass sie jetzt nicht mehr als Schulleiterin sprach, sondern als Mutter. »Wenn du gehen willst, Macey, können wir dafür sorgen, dass du vergisst, was hier geschehen ist. Wenn du morgen früh aufwachst, wird es ein Traum gewesen sein, an den du dich nicht mehr erinnerst. Dann hast du eben noch ein tristes Schulerlebnis aufzuweisen. Aber egal, wie du dich entscheidest, eines musst du wissen.«
    Mom kam näher, und Macey fragte schnippisch: »Was denn?«
    »Niemand wird je erfahren, was du heute gesehen und gehört hast.« Macey durchbohrte meine Mutter mit ihrem Blick, aber Mom hatte keine Ausgabe von Krieg und Frieden zur Hand, also griff sie nach dem Nächstbesten. »Vor allem deine Eltern nicht.«
    Und gerade, als ich dachte, ich würde Macey McHenry niemals lächeln sehen …

Z u Beginn der dritten Schulwoche war mein Rucksack schwerer als ich (na ja, vielleicht nicht gerade schwerer als

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