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Spione kuesst man nicht

Spione kuesst man nicht

Titel: Spione kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Carter
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machte sich wieder über ihre Karteikarten her, aber Bex und ich starrten uns über den Tisch hinweg an, während von unseren Mienen jetzt weniger nackte Angst als unkontrollierbare Erregung abzulesen war. Für Gallagher Girls ist die Anführung eines Einsatzes keine Strafe – es ist das Größte überhaupt! In meinem Hinterkopf lauerte nur ein winziges bisschen Furcht, als mir klar wurde, dass wir mit lebender Munition spielen würden – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn.
    Macey wandte sich wieder ihrem Salat zu und Mr Solomon sagte noch: »Et n’oubliez pas, mesdemoiselles, ce soir vous êtes des civils – ressemblez-y.«
    Genau was ich brauchte – Modeberatung von Joe Solomon. Der große Saal kehrte zur Normalität zurück, aber ich war sicher, das keine Einzige meiner Mitschülerinnen außer Macey noch einen Bissen hinunterbrachte. Als ob wir es nicht schon vorher gewusst hätten, hatte Mr Solomon uns gerade daran erinnert, dass wir uns bald hinter unseren sicheren Mauern hervorwagen würden, um zum ersten Mal in unserem Top-Spioninnenleben allein eine Geheimoperation durchzuführen.
    Der Höhepunkt nach vier Jahren Training – und ich hatte absolut nichts anzuziehen.
    Ich weiß nicht genau, wie es geschah, aber irgendwann zwischen dreizehn und achtzehn Uhr fünfundvierzig wurde aus einer Gruppe auszubildender Spioninnen der Gallagher Akademie für außergewöhnliche junge Frauen ein Haufen Teenies. Es war ziemlich beängstigend.
    Liz verbrachte den Nachmittag damit, sich in eine Geheimagentin wie aus dem Bilderbuch zu verwandeln und kopiertealles von der Handtasche aus Lackleder bis zum Pillbox-Hut (es war ein altes Bilderbuch). Dann begannen die Flure unter solchen durchdringenden Schreien wie »Habt ihr meine schwarzen Stiefel gesehen?« und »Hat jemand Haarspray?« zu beben. Ich machte mir ernsthaft Sorgen um die nationale Sicherheit. In unserem Zimmer sah Bex (wie immer) wahnsinnig gut aus, Liz sah lächerlich aus (aber versucht ihr das mal klarzumachen!), und Macey schaute in ein altes Cosmo-Heft, um festzustellen, ob es bei »Grün ist das neue Schwarz« um Leben und Tod ging. Ich selber konnte nur in meiner alten Jeans und einem schwarzen Pullover, den meine Mutter getragen hatte, als sie über der iranischen Botschaft abgesprungen war, auf dem Bett sitzen und zusehen, wie die Sekunden auf der Uhr wegtickten.
    Dann platzte plötzlich Tina herein. »Welche?«, fragte sie und hielt eine schwarze Lederhose und einen kurzen Rock vor sich. Ich wollte schon keins von beiden sagen, als Eva Alvarez ins Zimmer stürmte.
    »Gehen die? Ich weiß nicht, ob die gehen!« Eva hielt ein Paar hochhackige Stiefel in die Höhe, bei denen mir die Füße schon beim Hinsehen wehtaten.
    »Ähm, Eva – kannst du in denen rennen?«, fragte ich.
    Aber bevor sie antworten konnte, hörte ich jemanden sagen: »Die sind in Mailand der letzte Schrei.« Ich blickte mich um. Ich zählte Köpfe. Und dann wurde mir klar, wer gesprochen hatte. Macey starrte uns über die Zeitschrift an und fügte hinzu: »Wenn ihr es genau wissen wollt.«
    Innerhalb von Minuten war die halbe Klasse in unserem kleinen Zimmer und Macey sagte zu Tina: »Weißt du, Lipliner sollte eigentlich auf den Lippen aufgetragen werden«,und Tina hörte ihr zu! Immerhin war sie diejenige gewesen, die ohne mit der Wimper zu zucken das Gerücht in die Welt gesetzt hatte, Macey sei die uneheliche Tochter von Mr Smith. Wer hätte ahnen können, dass sie nur wegen eines kleinen modischen Unfalls kurz davor war, zum Feind überzulaufen!
    Courtney lieh sich Ohrringe aus, Anna probierte Jacken an und ich wusste nicht, ob ich mich jemals wieder sicher fühlen würde, mit einer von ihnen feindliches Gebiet zu betreten.
    Ich machte einen Versuch. »Weißt du, Eva, was sich in Mailand anpasst, fällt in Roseville vielleicht auf«, sagte ich, aber es war ihr egal.
    »Wenn man sich vor aller Augen verstecken möchte, muss man unauffällig aussehen!«, behauptete ich, aber Kim Lee wand sich aus einem schulterfreien Top und haute mir mit ihren fuchtelnden Armen fast den Kopf ab.
    »Wisst ihr was?«, brüllte ich. »Ich glaube nicht, dass er mit uns tanzen geht!« Und Anna hängte Maceys fantastisches Ballkleid in den Wandschrank zurück.
    Ich bin das Chamäleon!, wollte ich schreien. Ich bin die Geh-Op-Erbin! Ich hatte mich mein ganzes Leben lang auf diese Nacht vorbereitet – mit meinem Vater Drills absolviert, meine Mutter gebeten, mir Geschichten zu erzählen,

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