Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spione kuesst man nicht

Spione kuesst man nicht

Titel: Spione kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Carter
Vom Netzwerk:
stand wieder auf der Straße neben Josh. Ich beobachtete, wie Liz und Bex mit Mr Smith um die Ecke verschwanden. Ich redete mit einer älteren Frau über eine Großmutter, die ich nicht kannte. Ich war ein ganz normales Mädchen.
    Die Lichter der Schule schimmerten durch das Laub der Bäume. Meine Stiefel trommelten einen lauten Rhythmus auf dem Straßenpflaster. Feuchter Jeansstoff rieb sich an meinenBeinen. Schweiß lief mir über den Rücken. Mom sagt immer, ein Spion muss auf sein Bauchgefühl hören. In diesem Moment sagte mein Bauch, dass ich nicht in das Schloss zurückkehren wollte, dass ich weder in Mr Solomons noch in Mr Smiths Nähe sein wollte, und als ich den Haupteingang erreichte, hätte ich alles dafür gegeben, nicht durch das Tor gehen zu müssen.
    »Na, groß Party gefeiert, Cam?« Ein stämmiger Mann mit Igelfrisur und einem ununterbrochen Kaugummi mampfenden Mund tauchte an der Tür des Torwärterhäuschens auf. Er kannte meinen Namen, ich aber nicht seinen. Sonst hätte ich ihn sicher nicht Kaugummi-Wächter genannt. So aber war er für mich nur irgendein Typ, der für meine Mutter arbeitete, wahrscheinlich mit meinem Vater in irgendeiner geheimen Mission unterwegs gewesen war und alle Einzelheiten meines Lebens kannte, während ich nichts, aber auch gar nichts von ihm wusste.
    Plötzlich vermisste ich meine Bank in Roseville. Ich sehnte mich nach dem Lärm und dem anonymen Chaos des Marktplatzes.
    Ich setzte meinen Weg auf der Auffahrt fort, aber Kaugummi-Wächter rief mir hinterher: »Hey, Cam, soll ich dich fahren?« Er zeigte auf einen weinroten Golfwagen, der hinter dem Häuschen stand.
    »Nein, danke.« Ich schüttelte den Kopf. »Gute Nacht.«
    Tut mir leid, dass ich Ihren Namen nicht kenne.
    Im Foyer ging ich auf die Treppe zu. Ich wollte mich duschen. Ich wollte ins Bett. Ich wollte das unangenehme Gefühl abschütteln, das sich in meinem Magen breitgemacht hatte, als ich die orangefarbene Kappe auf dem Armaturenbrett sah.Ich hatte die Flasche in der Hand, aber irgendwie war mir klar, dass es nicht wirklich darum ging.
    Dann hörte ich schnelle Schritte und einen Schrei. »Warte!« Mr Mosckowitz lief hinter mir her.
    »Hi, Mr M. Sie sind super gefahren«, sagte ich. Mir fiel ein, dass der Einsatz auch sein erster gewesen war.
    Irgendetwas Wichtiges musste ihn veranlasst haben, mir nachzulaufen, aber für einen kurzen Moment änderte sich seine Miene. Er glühte richtig (aber nicht so sehr wie damals, als er die flammenhemmende Hautcreme für Dr. Fibs ausprobiert hatte).
    »Findest du?«, fragte er. »Ich habe, glaube ich, am zweiten Stoppschild ein bisschen zu lang gezögert. Höchstens achtundvierzig Stunden«, sagte er und stieß mit der Faust in die Luft, »das ist das Motto vom Übernacht-Express. Ich glaube, ein richtiger Fahrer hätte nicht so lange gewartet.«
    »Oh.« Ich nickte. »Ich fand es genau richtig. Ein Unfall verursacht schließlich die größte Verspätung, oder nicht?«
    Sein Gesicht hellte sich auf. »Findest du?«, fragte er wieder.
    »Es war perfekt.«
    Ich drehte mich um und wollte die Treppe hochgehen, aber Mr Mosckowitz rief noch einmal: »Warte! Ich soll dir doch sagen …« Er schwieg, und ich stellte mir vor, wie er in den Gigabytes seines Gehirns wühlte, »dass du zur Nachbesprechung in die GehOp-Klasse gehen sollst, um –«
    Natürlich, dachte ich und packte die Flasche fester. Natürlich ist es nicht vorbei.
    Als die optischen Scanner mein Gesicht abtasteten, hörte ich noch: »Hey, Cammie, es hat doch Spaß gemacht, hab ich recht?«
    Da wurde mir klar, dass einer der intelligentesten Männer der Welt mich brauchte, um ihm zu bestätigen, dass er Spaß gehabt hatte.
    Hier an der Schule kann ich immer nur staunen.

A ls ich im ersten Untergeschoss aus dem Fahrstuhl trat, war es dunkel. Ich folgte dem Licht der Notausgang-Schilder und flackernden Bildschirme im Labyrinth der Milchglasscheiben. Ich kam an der Bibliothek vorbei, die mit Fakten gefüllt war, die für eine Siebtklässlerin zu heikel waren. Ich ging einen Balkon entlang, der einen dreistöckigen Raum von der Größe einer Turnhalle überblickte. Der Raum ist mit beweglichen Wänden und künstlichen Menschen ausgestattet, und Bex und ich nennen das Ganze »Puppenhaus«. Hier treffen sich die Spione, um zu spielen.
    Als ich mich dem Klassenzimmer näherte, wurde der Korridor heller, und bald schaute ich durch eine beleuchtete Glasscheibe auf die Umrisse meiner Mitschülerinnen. Niemand redete.

Weitere Kostenlose Bücher