Spione kuesst man nicht
dass Liz – was echt merkwürdig war – nicht ausflippte!
Liz, die Spinnen hasst und sich weigert, irgendwo barfuß zu laufen. Liz, die eine gute Schwimmerin ist und trotzdem sechs verschiedene Schwimmwesten besitzt. Liz, die einmal ins Bett ging, ohne die Zähne vorher mit Zahnseide zu bearbeiten, und dann die ganze Nacht lang nicht schlafen konnte, saß ruhig auf dem Rücksitz, während Bex am Bordstein fast eine Mülltonne überfuhr.
»Rebecca, das hätte ein Fußgänger sein können«, warnte Madame Dabney, aber sie trat nicht auf die Notbremse, weshalb ich mich ewig fragen werde, was Madame Dabney wohl in Frankreich erlebt hatte, um ihre Definition von »Not« so durcheinanderzubringen.
Außerdem bemerkte ich die Straßenschilder.
»Oh, Mann!«, murmelte ich durch meine zusammengebissenen Zähne. Liz grinste, als ein Schild vorbeizischte, auf dem North Bellis Street stand.
»Pst!«, sagte Liz, als sie in ihre Tasche langte und die Fernbedienung der Stereoanlage herauszog, die sie am ersten Tag nach den Sommerferien ruiniert hatte.
»Was machst du mit –«
»Sch!« Sie schaute warnend auf Madame Dabney. »Es gibt nur eine kleine Explosion.«
Explosion!
Sekunden später krachte es gewaltig. Bex kämpfte verzweifelt mit dem Lenkrad. Ich roch Rauch und hörte das dumpfe, leblose Flattern von Gummi, der auf ein Straßenpflaster klatscht.
»Oh, nein – Madame Dabney!«, rief Bex mit theatralischer Stimme. »Ich glaube, wir haben einen Platten!«
»Ach, wirklich?« Ich starrte Liz an, die nur mit den Achseln zuckte. Vielleicht sollte ich aufhören, meine Freundinnen als Genies zu bezeichnen. Normale Freundinnen lassen doch keine Autos in die Luft fliegen, in denen man Fahrstunden bekommt – oder? Jedenfalls nicht absichtlich.
Als der Wagen endlich hielt – ihr habt’s erraten –, standen wir vor Joshs Haus.
»Oh, Mädchen«, sagte Madame Dabney sanft, um uns zu trösten, und schaute, ob Liz und ich auf dem Rücksitz noch ganz waren. »Ist alles in Ordnung?« Wir nickten. »Also«, seufzte Madame Dabney und sammelte sich. »Dann lernen wir jetzt, wie man einen Reifen wechselt.«
Natürlich hatten Bex und Liz das vorausgeahnt. Das war ja schließlich der Sinn der Sache gewesen. Aber Bex klang immer noch überrascht, als sie schrie: »Ich hol den Ersatzreifen!«
Sie sprang blitzschnell aus dem Auto und machte den Kofferraum auf, während Liz Madame Dabney mit einer Frage aufhielt. »Was verursacht denn in den meisten Fällen eine Reifenpanne, Madame?«
Als Liz unsere Lehrerin nach vorn schleppte, um den Schaden am Auto zu inspizieren, ging ich zu Bex nach hinten.
»Was machst du?«, wollte ich wissen.
Aber Bex grinste nur und langte in den Kofferraum, in dem ein prallvoller Müllsack lag, der den Säcken aufs Haar glich, die die Straße säumten. Die ganze Bellis Street entlang standen Abfalltonnen und Plastiksäcke wie salutierende Soldaten. »Wir können den Bordstein doch nicht leer lassen, oder?«
»Du hast die Termine vertauscht«, sagte ich fassungslos. »Du hast den Reifen zum Platzen gebracht! Du …« Ich schwieg. Wahrscheinlich, weil die nächsten Worte aus meinem Mund entweder »Du magst mich so sehr, dass du das alles für mich tust?« oder »Du wirst dein Leben lang eine Kriminelle sein!« gewesen wären. Beides war möglich.
»Wir können doch jetzt nicht aufgeben, oder?«, sagte Bex und klang sehr bexisch. Sie zog den Wagenheber mit Schwung aus dem Kofferraum und hob eine Augenbraue. »Das schulden wir deinem Land.«
Nein, sie glaubten, sie schuldeten es mir . Ich bin nur froh, dass sie es nicht sagte.
Innerhalb von Sekunden hatten Bex und ich den Ersatzreifen aus dem Kofferraum geholt, und Madame Dabney erklärte uns die Feinheiten der Lockerung von Radmuttern, aber ich konnte nur die Bellis Street rauf- und runterschauen. Was, wenn er mich sah und das Auto und unsere Schuluniformen erkannte? Wie könnte ich das jemals erklären? Würde er wollen , dass ich es erklärte? Würde er mich überhaupt sehen oder wäre ich nur »irgendein Mädchen«? Wäre ich »niemand«?
»Schulausflug nach Washington«, flüsterte mir Liz ins Ohr, als sie sah, wie nervös ich war. »Er kommt erst heute Abend nach neun zurück.«
Ich spürte, wie ich ausatmete.
»Gibt es noch Fragen?«, wollte Madame Dabney wissen, als sie den Wagenheber langsam unter dem Auto hervorzog und Bex den kaputten Reifen in den Kofferraum legte. Liz und ich schüttelten die Köpfe. »Dann haben wir es also
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