Spionin in eignener Sache
unverhofft verstorbenen Tante. Das ist meine Lieblingsstel-le.«
»Herrlich, sich so gut auszukennnen. Eines Tages wurde mir jedenfalls klar, daß ich mich besser von den Schiffen verabschiede, wenn ich helfen will, dieses Land aus dem Schlamassel zu ziehen, 38
und mich statt dessen lieber mit seinen Gesetzen befasse. Vielleicht hatte ich auch einfach die Nase voll von der Hierarchie in der Marine und wollte lieber die im Rechtswesen kennenlernen. Wie auch immer, jetzt sitzen wir hier und bereden, wie wir die Schuyler Law School ein bißchen in Schwung bringen können. Denn die ist so festgefahren in ihren alten Denkweisen und so selbstzufrieden in ihrer Borniertheit, daß ich den schweren Verdacht habe, sie würde am liebsten alle, die Ärger machen und etwas an den geheiligten Riten ändern wollen, aus dem Weg räumen. Das heißt, wenn Lächer-lichmachen und andere Schikanen versagt haben. Prost.«
»Prost«, antwortete Kate. »Würden Sie mir wohl verraten, warum Sie sich so sicher waren, mich zu erkennen?«
»Kein Problem. Wirklich erfreulich, das einmal bedenkenlos sagen zu können, denn meistens gibt es ein Problem.
Ich hörte mir eine Vorlesung meines alten Freundes Reed Amhearst über die neuesten Kniffe im Strafrecht an, zu dem Sie auch gekommen waren, und nachher flüsterte man mir zu, Sie seien seine Ehefrau und hätten’s mit der Literatur. Daran erinnerte ich mich, als ich jemanden suchte, der mit mir gemeinsam dieses Seminar hält. Ich hoffte, wegen Ihres Mannes wären Sie vielleicht eher geneigt, sich auf ein Abenteuer an einer Law School einzulassen. Und da Ihr Mann zufällig dieses Projekt an der Schuyler leitet, dachte ich mir, ein bißchen Vetternwirtschaft bei unserer kleinen Revolution kann nicht schaden. Möchten Sie noch einen Aperitif, oder wollen wir bestellen?«
»Bestellen wir!« entschied Kate ziemlich atemlos. Zuerst Harriet und jetzt Blair. Reed würde ein Projekt an der Schuyler leiten, sie ein Seminar dort halten, und beide Schuyler-Leute, die sie bisher kennengelernt hatte, waren eine Überraschung. Ob das ein gutes Zeichen war?
Als sie bestellt hatten, saß Kate wie gebannt da, bewunderte sein Haar, das glatt war, mit ersten grauen Fäden und dicht wie der Pelz eines Tiers; seine lebhaften Augen, blau, zweifellos vom vielen Aufs-Meer-Gucken, sahen sie lächelnd an. Demnächst schreibst du noch Liebesromane, dachte sie.
Ohne aufs Essen zu warten, entschuldigte sich Blair, daß er gleich mit der Tür ins Haus falle und auf ihr geplantes Seminar zu sprechen komme. »Die Sache ist nur«, legte er dann los, »wenn wir dieses Seminar halten wollen, dann müssen wir gestern mit der Pla-nung anfangen. Tut mir leid, Hektik zu verbreiten, aber so ist das 39
Leben, zumindest das akademische, nun einmal. Zuerst heißt es, immer mit der Ruhe, das hat noch Zeit, dann plötzlich, Beeilung, Beeilung, die Sache hätten wir gestern gebraucht. Ich bin sicher, Sie wissen, was ich meine«, fügte er hinzu, ehe Kate etwas erwidern konnte, obwohl sie ausnahmsweise noch nachdachte und zu keiner Antwort gekommen war. »Ich setze Sie unter Druck, ich weiß. Aber das neue Semester beginnt nächste Woche. Beim ersten Mal können wir uns mit dem Verteilen von Literatur- und Anwesenheitslisten und der Besprechung von Referatsthemen durchmogeln. Aber danach werden wir etwas Handfestes von uns geben müssen, Sie das Literarische, ich das Juristische.«
»Gleichzeitig?« fragte Kate. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und ließ die Umgebung auf sich wirken. Wenn man’s genau bedach-te, war der Oak Room im Plaza ein recht sonderbarer Ort, die Revolution zu planen, gar die interdisziplinäre Vermischung von Literatur- und Rechtswissenschaft! Albern, fand Kate, daß ihr gerade jetzt eine Geschichte über Marlene Dietrich einfiel, die sie einmal gehört hatte. Mit weißem Schlips und Smoking war die Dietrich in ein elegantes Restaurant wie dieses spaziert. »Damen in Hosen haben keinen Zutritt«, hatte der Oberkellner verkündet. Worauf die Dietrich die Hosen auszog und auf den Boden warf. Ein Vorteil war natürlich, wenn man herrliche Beine hatte.
»So gleichzeitig wie möglich«, antwortete er. »Ich meine, natürlich reden wir nicht im Chor, aber es sollten jedesmal beide Aspekte behandelt werden, der literarische und der rechtliche. Sind Sie damit einverstanden?«
»Klingt nett«, meinte Kate.
»Schwingt da eine ironische Note mit?« fragte er. »Wie ich ge-hört habe, verströmen Sie Ironie wie
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