Spionin in eignener Sache
andere Frauen Parfüm.«
Er flirtete mir ihr, ein jüngerer Mann begann einen Flirt mit einer Frau, die genau die richtige Anzahl von Jahren alter war!
»Ironie ist eine gute Abwehrstrategie«, sagte sie. »Gegen viele Dinge. Komisch, aber das einzige, wobei es mir schwerfällt, ironisch zu sein, ist der Mißbrauch von Wörtern ohne triftigen Grund.«
»An welche Wörter denken Sie denn, obwohl ich mich kaum zu fragen traue. Wahrscheinlich benutze ich alle falsch.«
»Da Sie mich fragen, desinteressiert, wenn man gleichgültig meint; es ging vonstatten statt es geschah; und neuerdings in Mode: unerwartet statt zufällig. Und da ich nun als Pedantin entlarvt bin –
haben Sie schon bestimmte juristische Materialien, oder Fälle sagt 40
man wohl, für unser Seminar in petto?«
»Ja, habe ich«, erwiderte er leicht zerstreut, als denke er darüber nach, ob er selbst gerade irgendwelche Wörter mißbraucht hatte; genau in dem Moment dann, als der Kellner den ersten Gang servie-ren wollte, legte er einen Stoß Papiere auf den Tisch, so daß es um ein Haar zu einem Zusammenstoß gekommen wäre. »Das sind die Akten von Fällen, die wir meiner Meinung nach benutzen könnten.
Michael M. gegen Superior Court zum Beispiel, ein Notzuchtfall, zu dem es vielleicht eine Parallele in dem einen oder anderen Roman gibt? Es geht um das Recht von Frauen, nein zu sagen und nein zu meinen.«
»Dazu fiele mir Thomas Hardys ›Im Dunkeln‹ ein. Ich glaube, das wäre eine Möglichkeit. Aber ist es nicht ein ziemlich gewaltiges Vorhaben, ganze Gerichtsakten zu lesen – wie dick sind die eigentlich? – und dazu noch ganze Romane?«
»Genau das ist die Frage. Ich hatte gehofft, Sie seien eine Exper-tin auf dem Gebiet dem Kurzprosa. Oder noch lieber: einzelner Ro-mankapitel, wenn man eine so unliterarische Praxis vorschlagen darf.«
»Lassen Sie mir ein bißchen Zeit«, bat Kate. »Ich bin sicher, wir werden zu einem sinnvollen Konzept kommen, aber können wir vorher nicht kurz einen Blick auf den Gesamtrahmen werfen, womit ich die juristische Fakultät der Schuyler meine, die wir mit diesem faszinierenden Seminar beglücken werden?«
»Natürlich. Soll ich am Anfang beginnen, das heißt da, wo ich die Szene betrete?«
»Mit dem Anfang zu beginnen ist meist kein schlechter Anfang«, erklärte Kate feierlich. »Irgendwie hat sich der Eindruck bei mir festgesetzt, daß die Schuyler Law School nicht gerade das Gelbe vom Ei ist, obwohl ich im Grunde so gut wie nichts über sie weiß, nur, daß sie nicht Harvard oder Yale ist. Ein paar nüchterne, unge-schminkte Fakten wären mir also lieb.«
»Was nur recht und billig ist. Ich bin wirklich begeistert, daß Reed dieses Projekt für uns leitet. Und daß Sie zur Mitarbeit bereit sind, ist ein größerer Glücksfall, als ich ihn zu erhoffen wagte. Daß uns die Schutzengel der Frauen und Minderheiten so gnädig gesinnt sind, hätte ich nicht geglaubt. «
»Lassen wir die Engel vorläufig aus dem Spiel. Beginnen wir lieber da, wo Sie die Schuyler-Szene betreten. Obwohl ich sicher bin«, fügte Kate vorsorglich hinzu – sie glaubte zwar nicht an Engel, woll-41
te aber auch keinen beleidigen, falls doch irgendwo einer herum-schwebte –, »daß es Sie einige Mühe gekostet hat, die Schuyler zu Reeds Projekt zu bewegen, und wenn die Engel Ihnen dabei behilf-lich waren, um so besser. Aber fahren Sie bitte fort.«
»Beginnen wir mit der Dozentenschaft: Ausschließlich Männer und alle der Auffassung, daß das, was sie nicht wissen, auch nicht wissenswert ist. Damit sind die Herren hinreichend beschrieben.
Hinzufügen sollte ich wohl nur, daß sie allmählich die Gefahr neuer Ideen wittern und ihre Truppen sammeln. Oder, wie man da, wo ich herkomme, sagt: ein Sturm braut sich zusammen.«
»Bisher hatte ich eigentlich nicht das Gefühl, daß die Schuyler in dem Rufe steht, elitär zu sein«, sagte Kate zwischen zwei Bissen.
»Oder handelt es sich etwa um die gleiche Dynamik wie an den schrecklichen Schulen in englischen Romanen – je schlimmer die Schule, desto grausamer die Lehrer?«
»Da könnte etwas dran sein. Als ›Nicholas Nickleby‹ am Broadway lief, habe ich mir das Stück gleich zweimal angesehen. Aber ein wenig anders geht es an juristischen Fakultäten doch zu. So wenig elitär die Schuyler auch sein mag, die meisten unserer Professoren haben in Harvard, Yale oder Chicago promoviert und sich seither auf diesem Lorbeer ausgeruht. Vielleicht veröffentlichen sie hin und
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