Spionin in eignener Sache
Gefühl, die Sache sei nicht befriedigend gelöst. Nachdem alle gegangen waren, sahen sich Kate und Blair an und stießen, fast syn-chron, einen Seufzer aus.
»Es tut mir leid, daß Ihnen das zugemutet wurde«, sagte Blair.
»Aber Sie nehmen es mit bewundernswerter Gelassenheit hin. Hat Ihnen die Sache auch wirklich nicht zu schlimm zugesetzt?«
Sie schwieg einen Moment. »Nein, wirklich nicht. Und ich frage mich, warum. Ich meine, so was einer Frau anzutun, ist ziemlich brutal. Aber die ekelhaften Kerle von ›Hustler‹ und ›Playboy‹ operieren schon so lange mit diesem Trick! Einer befreundeten Professorin passierte es sogar, daß eine dieser reaktionären Zeitschriften so eine Montage, und zwar eine sehr gekonnte, von ihr brachte. Das Ganze ist kein Schock mehr. Es liegt auf der gleichen Ebene wie die Behauptung, alle Feministinnen würden Männer hassen und nie Make-up benutzen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Jakes kleines Werk besonders gekonnt war, und es ist auch nicht das Foto, was mich schockiert, Blair, sondern der Haß und die Angst dahinter. Das Ausmaß, in dem sich manche Männer vom Feminismus bedroht fühlen. Aber das Ganze ängstigt und verletzt mich nicht mehr, es macht mich bloß wütend – und nachdenklich. Ich frage mich, worin die Bedrohung eigentlich liegt. «
»Das ist einfach zu erklären.« Er stand auf und stellte sich hinter sie, legte ihr die Hände auf die Arme und massierte ihr dann Nacken 99
und Schultern. »Sie haben Angst, daß ihre angestammte und nie in Zweifel gezogene Position ganz oben auf der Leiter prekär werden könnte, die Leiter zu wackeln beginnt und sie in die Tiefe stürzen.«
»Und wie kommt es, daß Sie nicht so wirken, als fühlten Sie sich bedroht?«
»Vielleicht finde ich die Gipfelluft einfach nicht so verlockend wie andere. Und die Burschen, die dort oben rumturnen, mag ich normalerweise auch nicht besonders.«
»Sie reden schon wie Harriet.« Kate stand auf. »Danke für die Massage. Ich war wirklich verspannt.«
»Besser als so wie unser Dekan zu reden. Kommen Sie!« Zusammen gingen sie zu Blairs Büro, wo Kate ihn, als sie sich an seinem Schreibtisch gegenübersaßen, anlächelte.
»Ich wußte gar nicht, daß Sie so zuschlagen können. Geht es unter Männern immer so zu? Vermutlich habe ich so viel Zeit mit Lite-raten verbracht, daß das wahre Leben völlig an mir vorbeigegangen ist. Reed habe ich noch nie jemanden schlagen sehen.«
»In den Straßen meiner Kindheit war ich ein berüchtigter Rauf-bold«, gestand Blair, »und ich habe mich in Form gehalten. Mit Jakes Schlag in den Magen hatte ich zwar nicht gerechnet, aber in weiser Voraussicht, fast automatisch, die Bauchmuskeln angespannt.
Ich war schon immer ein sogenannter ›Alpha-Wolf‹, also mußte ich lernen, auf alles vorbereitet zu sein.«
»Ein Alpha-Wolf? Meinen Sie die Sorte, die sich in Schlangen vordrängelt, allen Leuten ins Wort fällt und sich um Parkplätze prü-
gelt?«
»Mehr oder weniger. Aber wie Ihnen vielleicht aufgefallen ist, bemühe ich mich inzwischen, die Leute ausreden zu lassen, jedenfalls meistens. Die Frage ist nur, was zum Teufel machen wir mit Jake?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung, jedenfalls im Moment nicht.« Kate erhob sich; sie wollte plötzlich schnell weg von dem ganzen Schuyler-Szenarium, besonders aber von der verstörenden Tatsache, daß sie Blair vorhin, während dieser abscheulichen Inszenierung von Männlichkeit, außerordentlich attraktiv gefunden hatte.
Wie’s scheint, fliege ich neuerdings auf Höhlenmenschen, dachte sie. Was zum Teufel ist los mit mir? Dieser verdammte Laden treibt mich zum Wahnsinn, das ist mit mir los! Er macht eine Frau aus mir, der es eigentlich gefallen sollte, auf einem Ausklappfoto zu erscheinen. Na, jedenfalls eine, die auf Männer abfährt, die auf Klappfotos 100
abfahren. Ach Scheiße, wie Jake sagen würde.
»Ich finde, wir sollten dafür sorgen, daß die Sache den potentiel-len Arbeitgebern dieses Idioten nicht unbekannt bleibt«, sagte Blair.
»Wenn die dann der Meinung sind, er hätte sich wie ein ganzer Kerl benommen, dann sollen sie ihn bitteschön einstellen. Aber Anders-gesinnte sollten gewarnt werden.«
»Ich weiß nicht. Eigentlich müßten wir ihm dankbar sein, denn er hat einige Studenten so gründlich zum Nachdenken gebracht, wie wir es ohne seine Hilfe wahrscheinlich nie geschafft hätten. Ich glaube, er ist der Typ, der sich selbst der schlimmste Feind ist.«
»Das sagen Sie!
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