Spionin in High Heels
einmal einen Seitenblick. Nur ganz kurz. Stattdessen rief ich sicherheitshalber Richards Anrufbeantworter noch einmal an. Ich erwähnte weder, dass ich da gewesen war, noch den Mann mit der Pistole.
Ich schaltete Seinfeld ein und schaute träge zu, wie Jerry und George sich eine Show ausdachten, in der es um nichts ging. Ich schlief vollständig angekleidet ein und träumte von schwarzen Tattoos, silbern glänzenden Kalibern 38 und meiner Mutter mit einem Körbchen voll rosafarbener Babyschühchen im Arm.
Am nächsten Morgen erwachte ich mit neuem Tatendurst. Wie es schien, war ich nicht die Einzige, die nach Richard suchte, also musste ich die Suche intensivieren. Ich war seine Freundin, was theoretisch bedeutete, dass ich im Vorteil war, da ich ihn besser kannte als andere. Das Problem war, dass Richard und ich vor allem das machten, was man als Paar so macht: Dinner, Kino, Hand in Hand am Strand von Venice spazieren gehen, aneinander gekuschelt unter Sternen einem Freiluftkonzert in der Hollywood Bowl lauschen. Ehrlich gesagt, kannte ich keinen seiner Freunde, und jetzt, als ich darüber nachdachte, fiel mir auf, dass ich auch gar nicht wusste, was er so tat, wenn wir nicht zusammen waren. Das war ein beunruhigender Gedanke.
Ich begann damit, eine Liste aller Personen in Richards Leben aufzustellen, die ich kannte. Das war erst einmal seine Mutter. Doch ich kannte weder ihre Telefonnummer noch ihren Vornamen, sodass ich auch nicht die Auskunft anrufen konnte. Wahrscheinlich würde ich ihre Adresse irgendwo in Richards Wohnung finden, aber nachdem ich das letzte Mal beinahe dort erwischt worden wäre, wollte ich das Risiko nicht noch einmal eingehen.
Also blieb nur Richards Büro. Ich wusste, dass er all seine Adressen in seinem Palm Pilot und auf seinem Computer im Büro gespeichert hatte. Die einzige Hürde, die zu nehmen war, war Jasmine. Aber es würde mir schon etwas einfallen, wie ich mich an ihr vorbeischmuggeln konnte. Die Frau hatte den IQ eines Kürbisses.
Also zog ich schwarze DKNY -Cargos an, ein eisblaues enges T-Shirt und meine strassbesetzten schwarzen Jimmy Choos mit den fünf Zentimeter hohen Absätzen. Das hieß: Ich meinte es ernst. Dazu noch dicker schwarzer Eyeliner, und ich hätte das Bond-Girl doubeln können.
Ich parkte in der Garage, und Viertel nach neun stand ich vor Jasmines Empfangstisch.
»Ich glaube, ich habe mein Handy in einem der Konferenzräume vergessen, als ich das letzte Mal hier war. Kann ich es eben holen, bitte? Es dauert nur eine Minute.«
Wie ich vorausgesehen hatte, wollte Jasmine ihren Spaß haben. Ihre nachgemalten Augenbrauen zuckten amüsiert. »Es tut mir leid, aber ich kann Sie da nicht reinlassen.«
»Bitte! Ich würde ja Richard fragen, aber ich erreiche ihn im Moment nicht. Wirklich, ich beeile mich auch.«
»Es tut mir leid, aber dort dürfen nur Anwälte und Mandanten eintreten«, sagte sie und zeigte auf die Milchglastüren. »Wir können ja nicht jeden reinlassen.«
»Aber ich brauche mein Handy«, jammerte ich. Jasmine zuckte mit den Schultern, als wenn sie sagen wollte, Pech gehabt, Tussi.
Ich machte einen Schmollmund und legte dann mein Gesicht in nachdenkliche Falten, den Blick fest auf die Türen gerichtet. Ich wartete und zählte bis drei. Dann riss ich die Augen auf, als wäre mir gerade etwas Geniales eingefallen. »Ich habe eine Idee, Jasmine! Sie könnten es doch für mich holen.«
Sie sah skeptisch aus und warf schnell einen Blick auf ihren Computerbildschirm. Bevor sie mir erklären konnte, wie wichtig ihr Solitaire-Spiel war, redete ich eilig weiter. »Oh bitte, Jasmine. Ich brauche das Handy ganz furchtbar dringend. Sie täten mir einen riesigen Gefallen damit, und ich wäre Ihnen echt dankbar.«
Sie biss auf ihren aufgepumpten Lippen herum und starrte mich so lange an, dass ich schon glaubte, sie habe meine Frage vergessen. Endlich stieß sie einen langen, dramatischen Seufzer aus. »Na gut! Ich werde mal nachsehen. Aber Sie bleiben hier.«
Ich hielt zwei Finger in die Höhe. »Großes Pfadfinderehrenwort.«
Ich wartete, bis sie in einem der Konferenzräume verschwunden war, bevor ich zu Richards Büro sprintete. Schnell schlüpfte ich hinein und schloss die Tür hinter mir.
Wie erwartet, war Richard nicht hier, aber der Duft seines Aftershaves von Hilfiger hing in der Luft. Ich atmete ihn tief ein und sehnte mich auf einmal sehr nach ihm.
In seinem Büro standen drei Regale mit Respekt einflößenden Wälzern und Richards
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