Spitfire: Kühler Tod
gut?«
Plötzlich kommen mir meine Befürchtungen und Verdächtigungen nur noch lächerlich vor. Wie konnte ich nur jemals glauben, Scott sei ein Mörder? Allein der Gedanke ist so unerhört, dass meine Wangen zu glühen beginnen. »Gut. Die ganze Sache mit der Anschuldigung tut mir so schrecklich leid. Ich war nicht mehr so ganz zurechnungsfähig … aber jetzt stehe ich Ihnen wieder voll zur Verfügung.«
»Ich verstehe schon.« Scott nickt feierlich. »Wir haben volles Programm heute Morgen, jetzt, wo es bald mit dem Empire Hotel losgeht. Hey, können Sie heute länger arbeiten?«
»Tut mir leid, ich habe schon etwas vor.«
»Oh.« In dieser einen Silbe liegt grenzenlose Enttäuschung. Oder ist es Missfallen? »Tja, könnten Sie dann vielleicht am Samstag kommen?«
Da ich nicht undankbar erscheinen will, sage ich: »Klar.«
Das mit dem vollen Programm war nicht übertrieben. In meiner Abwesenheit hat Boots den Assistentinnen-Standard dermaßenhochgeschraubt, dass ich kaum mithalten kann. Ich habe weder Zeit, die Online-Nachrichten zu lesen, noch im Internet nach schmutzigen Witzen zu suchen.
Mittags fühle ich mich wie eine Arbeitssklavin. Als Scott meinen Namen ruft, springe ich auf. »Sie haben geläutet?«
»Was halten Sie vom
Platos
für heute Mittag?«
Nach unserer letzten Verabredung in der
Stinkenden Rose,
während der ich ganz nebenbei meinen Freund erwähnt habe und Scott daraufhin fast einen Wutanfall bekommen hat, habe ich mir geschworen, nie wieder mit ihm auszugehen. Ich habe meine Ausrede mit dem Arzttermin parat, aber der Name
Platos
bringt mich ins Wanken. Das ist auch so ein Restaurant, in das ich unbedingt mal wollte.
Während meine rechte und meine linke Gehirnhälfte die Sache noch ausdiskutieren, fügt Scott an: »Vilma kommt auch … diesmal wirklich.« Er lächelt breit.
Ich knicke ein. Ach, was soll’s, es ist immerhin das
Platos.
»Um wie viel Uhr?«
»Wir treffen sie dort um eins.«
KAPITEL 39
Scott und ich stehen vor dem Restaurant und warten auf Vilma. Na ja, genau genommen hat Scott einen Kunden am Handy und ich halte Ausschau nach seiner Frau. Gerade als ich das hier schon wieder für einen Bluff halte und glaube, dass Vilma gar nicht auftauchen wird, entdecke ich eine dicke Frau, die auf uns zugehastet kommt. Sie winkt verzagt. Ich winke zurück.
Vilma sieht Scott an, während sie näher kommt. Sie trägt einen blaugrünen Hosenanzug. Den unteren Teil der Kombination hätte Papa eine Weihnachtshose genannt, weil sie einen elastischen Gummibund hat. Wenn dieser Anzug nicht wenigstens waschmaschinenfest ist, hat er überhaupt keine Vorzüge.
Ich beobachte sie, während sie darauf wartet, dass Scott sein Telefonat beendet. Erst dann geht sie die letzten beiden Schritte auf uns zu. »Entschuldige, dass ich zu spät komme. Ich bin im Verkehr stecken geblieben«, platzt sie heraus und es klingt wie ein ungeschicktes Geständnis.
Scott antwortet nicht, deshalb sage ich schnell und fröhlich: »Macht doch nichts, Vilma. Zu spät ist das neue Pünktlich.«
»Ich bin extra früher losgefahren, wie du gesagt hast«, beteuert sie mit mitleiderregender Miene in Scotts Richtung.
»Tja, jetzt bist du ja hier. Machen wir das Beste draus«, brummt Scott zurück.
Ich warte auf die Pointe, aber stattdessen hält uns Scott nur wortlos die Tür auf. Schweigend betreten wir das Restaurant. Ich gehe vor, dann folgt Vilma.
Das
Platos
ist in einem alten Backsteingebäude am Meer untergebracht, es werden Fisch, Meeresfrüchte und Tapas serviert. Der Speisesaal hat eine hohe Decke und alle Tische sind so arrangiert, dass man einen schönen Blick auf die Bay Bridge hat. Auf dem Wasser gleiten mehrere Schiffe vorüber. Mit ihren aufgeblähten Segeln erinnern sie mich an Tauben.
Der Kontrast zwischen Vilma und Scott verblüfft mich noch immer und ich schaue ständig von einem zum anderen. Vilmas rundes Gesicht hat die Farbe und Textur eines Champignons, Scotts Jungengesicht dagegen ist gebräunt und sein Haar perfekt frisiert.
Vilma studiert ausführlich die Speisekarte. Ich wette, sie bestellt eine ganze Reihe Tapas und sicher auch ein Dessert. Sie wird mir immer sympathischer. Ich suche mir fünf Tapas aus und schließe die Karte.
Dann erscheint der Kellner und Vilma ist als Erste an der Reihe. »Für mich nur eine Gazpacho«, sagt sie und sieht dabei Scott an.
Ich kann’s nicht fassen, damit hat sie den Bestellstandard komplett über den Haufen geworfen! Schnell schlage ich die
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