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Spittelmarkt

Spittelmarkt

Titel: Spittelmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernwald Schneider
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dass ich am 5. November 1848 zur Welt gekommen bin.«
    »Sie sehen gute 20 Jahre jünger aus.«
    Er nickte und erweckte den Eindruck, das Kompliment des Öfteren gehört zu haben, sodass es ihn nicht mehr nachhaltig beeindrucken konnte. »Wir haben es selbst in der Hand, wie alt wir werden und aussehen. Eigentlich müssten Sie sagen, dass nicht ich jung aussehe, sondern dass im Gegenteil die meisten Menschen weit älter aussehen, als sie ihren Jahren nach sind.«
    »Gestatten Sie mir trotzdem die Frage, wie Sie es gemacht haben, sich so jung zu halten?«
    Santor hob auf eine sympathische Weise die Brauen und lächelte. »Indem ich die Selbstheilungskräfte meines Körpers in einen optimalen Zustand versetzte. Eine richtige Ernährung und die rechte Lebenseinstellung gehören dazu; doch darüber hinaus haben wir Methoden entwickelt, die es uns gestatten, unsere feinstofflichen Energien zum Wohl unseres Körpers wie unserer Seele zu benutzen. Wir verfügen über wirksame Mittel, die das Leben bereit hält, für die aber die meisten Menschen kein Gespür oder keine Augen haben.«
    Hartmann, der sich bisher zurückgehalten hatte, hüstelte, und sobald ich ihn anblickte, verzog er das Gesicht zu einem breiten Grinsen.
    »Auf die richtige Haltung kommt es an«, gab er zum Besten. »Unser Weg ist die Tat. Die entschiedene unerschrockene Tat, das Ergreifen der Kraft, die eine verborgene Eigenschaft unseres Blutes ist. Wir gehen weit über die normalen Grenzen hinaus – anderenfalls können wir nicht gewinnen. Wir sind nicht bescheiden.«
    Erst bei seinen letzten Worten sah er von Santor zu mir, gleich darauf wanderte sein Blick in die Ferne; er schwieg.
    Santor seufzte und sah mich an. »Das hat er schön gesagt, unser Herr Hartmann, nicht wahr? Er ist ein wahrhaft unentbehrliches Mitglied unseres Ordens.«
    Hartmann machte ein zufriedenes Gesicht. Ihm schien die Ironie der Bemerkung entgangen zu sein.
    »Seien Sie beruhigt, lieber Herr Goltz«, sagte Santor. »Es werden heute Abend keine unerschrockenen Taten von Ihnen verlangt. Bleiben Sie ein, zwei Stunden hier. Anschließend werden Sie sehen, ob es Ihnen bei uns gefällt. Es gibt in dieser Nacht eine Zusammenkunft einiger auserwählter Mitglieder unseres Ordens, deshalb möchte ich Sie einladen, daran teilzunehmen. Bilden Sie sich selbst ein Urteil. Sie gehen keinerlei Verpflichtungen ein. Entscheiden Sie später, was Sie von uns halten. Sofern Sie Vorurteile hegen, stellen Sie diese nur für den heutigen Abend beiseite; es wird Ihnen nicht schwer fallen. Nehmen Sie die Einladung an?«
    Ich nickte. »Ich werde mich bemühen, völlig unvoreingenommen zu sein.«
    Santor blickte auf seine Armbanduhr. »Es ist nun auch Zeit«, verkündete er und erhob sich aus seinem Sessel. »Lassen Sie uns gehen!«
    Die Wohnung war labyrinthisch. Über einen Flur, an dessen Seiten geheimnisvoll schimmernde Wandleuchten hingen und der nach ungefähr zehn Metern um eine Ecke ging, kamen wir zu einem dunkelblauen Samtvorhang. Wir blieben stehen und Santor zog ihn zur Seite. Dahinter befand sich eine Eisentür, die anscheinend verschlossen war.
    Hartmann wandte sich zu mir herum. »Hier«, sagte er, »setzen Sie das auf!«
    Diesmal hielt er keine schwarze, sondern eine silberfarbene Maske in der Hand, mit der man, bis auf die freien Schlitze für die Augen, die obere Hälfte des Gesichts bedeckte. Ich zog sie über den Kopf. Hartmann setze sich eine ähnliche Maske auf; nicht aber Santor, der stattdessen einen Schlüssel in die Hand genommen hatte, mit dem er nun vorsichtig die eiserne Tür aufschloss. Über eine enge Treppe, die wir hinunterstiegen, erreichten wir eine weitere Eisentür, die Santor mit demselben Schlüssel öffnete.
    Hinter einem Samtvorhang, der die Tür von der dahinter gelegenen Räumlichkeit trennte, schimmerte Licht, und wie von fern her war gedämpftes Stimmengemurmel zu vernehmen. Hartmann schob den Vorhang einen Spaltbreit zur Seite und spähte hindurch, als sei ihm daran gelegen, den Eingang, durch den wir den Raum betraten, vor den bereits darin anwesenden Personen zu verbergen. Schließlich gab er uns ein Zeichen und trat als Erster in den Flur; Santor und ich folgten ihm. Wir gingen um eine Ecke herum und betraten dahinter einen größeren Raum, dessen Türen offen standen.
    Eine ungewisse Gesellschaft geisterte im gedämpften Licht von Gaslampen und Kerzenleuchtern umher. Hie und da wandte jemand den maskierten Kopf und gespensterhafte Augen ruhten für Momente

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