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Spittelmarkt

Spittelmarkt

Titel: Spittelmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernwald Schneider
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tatsächlich etwas vorbereiten sollte, das so etwas wie ein rituelles Menschenopfer war. Wenn es wirklich ernst wurde, sagte ich mir, würde ich einschreiten müssen; aber zugleich hatte ich das untrügliche Gefühl, dass ich wahrscheinlich nicht viel würde ausrichten können, sondern in dieser Umgebung ziemlich machtlos war.
    Santor trat einen Schritt von dem Opfertisch zurück, wie um dem Fremden zu bedeuten, dass er dem Altar näher treten möge, und nur einen kurzen Augenblick, im Handumdrehen hatte dieser seinen Standort gewechselt und sich dabei bis an das Kopfende des Mädchens heran bewegt. Das kalte weiße Licht, das von seinem Gesicht abzustrahlen schien, zeichnete nun jede Einzelheit seiner Züge mit Genauigkeit ab: die dunklen Höhlen unter den bewegten, ausdrucksstarken Augen, die Linie zwischen den nicht ganz geschlossenen Lippen. Es war ein Licht, das nicht bestimmt war, etwas anderes außer sich selbst zu erhellen. Doch je länger ich die Details des Gesichts in Augenschein nahm, umso mehr war mir, als könne ich darin die Züge des unheimlichen Oskar Behrend ausmachen. Das war natürlich kompletter Unsinn und wollte wahrscheinlich meinen Verstand beleidigen, der solcherlei Trugbilder nicht gewöhnt war. Bei näherem Hinsehen erkannte ich, dass das Gesicht geschminkt war, vielleicht sogar auf eine schwer erkennbare Weise maskiert. Wer sich hinter der Erscheinung des bizarren Zauberpriesters tatsächlich verbarg, blieb mir allerdings verborgen.
    Veronika ließ die geweiteten grünen Pupillen nach oben gleiten und betrachtete den Mann über ihrem Kopf ganz ohne Angst. Ihre Erregung hatte wohl jegliche Furcht beseitigt. Der unheimliche Priester aber bewegte seine weiß leuchtende Hand auf den Scheitelpunkt ihres Hinterkopfs zu und ließ sie dort einige Zeit verweilen, bevor er sie über ihre Stirn weiter bis an die Nasenwurzel zwischen ihren Augen gleiten ließ. Dann wanderte die Hand über ihren Kehlkopf und nahm dort eine neuerliche Ruheposition ein, ruhte dann eine Zeit lang zwischen ihren kleinen Brüsten und glitt über ihren Bauch weiter in Richtung ihres Unterleibs vor. Es hatte etwas Magisches an sich, dessen Sinn sich mir jedoch verbarg.
    Veronika blieb ruhig. Ihre Aufmerksamkeit hatte sie anscheinend vollständig zwischen ihrem Sexualpartner und dem unheimlichen Dritten geteilt. Doch als die Hand des Zauberers wieder zurück nach oben glitt und eine länger anhaltende Kreisbewegung über ihrem Solarplexus vollzog, da schrie sie mit einem Mal auf: »Oh Gott, ich verbrenne!« Und während sich ihr gefesselter Körper streckte und sich in krampfartigen Stößen bäumte, schrie sie gleichermaßen aus Angst und Lust: »Oh nein, oh nein! Bitte, bitte nicht!«
    Ich war drauf und dran, meiner Empörung ob des inszenierten Unfugs lauthals Ausdruck zu verleihen. Bevor es aber so weit kam, lief plötzlich eine Welle der Entspannung durch Veronikas gestreckte Gestalt und ihre Schreie gingen in freudiges Jauchzen über.
    Als es vorüber war, warf sie ihren Kopf zur Seite und blickte in die Richtung, in der ich stand. Beim Anblick ihrer entspannten Züge konnte ich die Illusion nicht verdrängen, in das Gesicht einer Isis-Priesterin zu schauen, das in die Wand einer geheimnisvollen, längst unterm Wüstensand vergrabenen Pyramide gemeißelt war. Ihre Augen strahlten und ihre Haut schimmerte wie reine Seide. Sie war wunderschön, ja, von vollendeter Schönheit, und ich registrierte erleichtert, dass der Kelch des Menschenopfers an ihr vorübergegangen war.
    Die Hand des Priesters glitt zurück, Veronika schloss die Augen und Olden löste sich von ihr. Er trat an die Seite des Opferkreuzes und begann, ihre Fesseln an Hand- und Fußgelenken zu lösen. Nachdem er den Altar einmal umrundet hatte, nahm er sie bei der Hand und half ihr vom hölzernen Gestell. Sie sah niemanden an, beachtete auch den unheimlichen Priester nicht, sondern hatte allein für ihren Partner Augen, der nun seine Hand um die Taille des jungen Mädchens legte. Und so nackt und herrlich die beiden anzusehen waren, verließen sie den Kreis, den all diese Zuschauer bildeten. Sie verschwanden durch das Dunkel des Raums zur Tür hinaus.
    Einige Augenblicke lang herrschte Stille unter den Verbliebenen. Dann gab es eine kleine Erschütterung, ein warmes Wehen und schließlich erlosch irgendwo im Raum eine Flamme. Der Platz am oberen Ende des Tisches war wieder leer. Der weiße Priester, der eben noch mit ausdruckslosem Gesicht bei uns gestanden

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