Spitze Buben
letzten Erfahrungen hielt ich es für keineswegs übertrieben, bis zur äußersten Nervenanspannung wachsam zu sein. Natürlich passierte nichts. Außer ...
Ein leichtes Pfeifen durchschnitt die Luft. Ich wappnete mich gegen das Auftauchen eines gefiederten Dämons, Ausgeburt einer von TunFaires tausend Sekten.
Mit den Geschöpfen aus dem Reich der Mystik kann man ja noch klarkommen. Die Ausgeburten der Realität sind manchmal viel grausamer.
Der Gottverdammte Papagei landete auf meiner Schulter.
Ich schlug nach ihm. »Dieser blöde Dean! Kommt mitten in der Nacht nach Hause und läßt das Monster fliegen.« Wie hatte der gefiederte Blödmann mich bloß gefunden?
Der Vogel hielt die Klappe, während er auf Schätzchens Schulter flatterte. Das war unnatürlich.
»Was ist los, Vogel? Schätzchen, er wird dich bestimmt vollkleckern.« Das Abenteuer lief keineswegs so, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Ich versuchte nicht lange, alle zu verwirren, sondern schlug den direkten Weg ein. Auf halber Strecke flötete Schatz: »Das Aderlaß-Spital?«
Für Morpheus, der hier irgendwo im Dunkeln lauern mußte, antwortete ich: »Wo sonst? Er hat keine anderen Verstecke mehr. Und hier kennen sie sein wahres Ich nicht.«
Hoffentlich nicht. Ich mißtraute meiner Intuition.
Und auch meiner Vernunft. Warum stürzte ich mich an der Seite eines Zauberers in Gefahr? Wieso traute ich Feuerherz? Seine Art war berüchtigt für ihre Heimtücke. Und meine einzige Lebensversicherung war ein Dunkler Elf mit gebrochenen Flügeln, dem möglicherweise mein Wohlergehen schnuppe war, sobald er den Regenmacher im Visier hatte.
Die Leute sagen immer, ich denke zuviel. Zweifellos ... Warum, um alles in der Welt, ging ich bloß davon aus, daß Hackebeil nach seinem letzten Mißgeschick in TunFaire bleiben würde? Und warum sollte er sich ausgerechnet im Aderlaß-Spital verstecken?
Ich war ziemlich am Ende mit den Nerven, als ich mich in die Aufnahme des Aderlaß-Spitals schob. Aber ich gewann meine Selbstsicherheit bald wieder.
Nach zwei Metern entdeckte ich die weibliche Hälfte des alten Pärchens, das ich in dem häßlichen Warenhaus gefangengehalten hatte. Auch sie sah mich und rannte, so schnell ihre Füße schlurfen konnten, auf das Treppenhaus zu, durch das ich vor ein paar Tagen geflohen war.
Ich gewann das Rennen. »Hallöchen.«
Feuerherz trat neben mich. »Kennen Sie die?«
Ich gab ihm einen kurzen Bericht.
Der Feuerlord betrachtete seine Umgebung. Unsere Ankunft war nicht unbemerkt geblieben. Die Angestellten scharten sich zusammen, und ich erkannte einige bekannte, unfreundlich dreinblickende Visagen. »Diese Jungs verstehen einfach keinen Spaß, Flamme.« Er hörte eine geraffte Geschichte meiner Einkerkerung. Und die Kittelträger glaubten irrtümlicherweise, daß es Zeit für die Revanche war.
Der Feuerlord tat etwas, was die Leute in der Nähe seiner Sorte so unbehaglich macht. Dazu gehörte Murmeln und Fingerwackeln und eine plötzliche Finsternis wie im Herzen eines Anwalts. Einen Augenblick später flammten überall Feuersäulen auf. Jede bestand aus einem Angestellten, der hitzig dagegen protestierte. Einer watschelte unglücklicherweise auf uns zu. Feuerherz ließ ihn verstummen, damit wir seine Schreie nicht hören mußten, aber der Kerl gab nicht auf. Er wurde zu einer menschlichen Fackel, die unseren Aufstieg beleuchtete.
Schätzchen war nicht geschockt. Anscheinend hatte Paps sie früh aufgeklärt.
Die alte Frau lief weg und versuchte, uns abzuhängen. Sie hatte wenig Erfolg. Wir kamen an der Station vorbei, wo ich gewütet hatte. Sie hatten gerade erst mit den Reparaturen angefangen. Im Vorbeigehen vergoß ich eine Träne für Schmeichler und Efeu.
Plötzlich schlug die alte Frau wie verrückt um sich, als wollte sie uns damit aufhalten. Sie bot einen schrecklichen Anblick, beleuchtet vom brennenden Mann. Sie war entsetzt und ebenso entschlossen. Tod flammte in ihrem Blick auf. Sie war wie eine Bache zwischen Wurf und Jäger ...
Bingo! Jetzt endlich erkannte ich sie, als sie direkt vor mir stand und ihre Augen glühten. Wenn man ein paar Dekaden Schmerz und Armut abzog, bekam man eine weitere Maggie Jenn.
Maggie hatte nichts vom Schicksal ihrer Mutter erzählt.
75. Kapitel
Das oberste Stockwerk im Aderlaß-Spital war für diejenigen reserviert, die mit der Armut nichts weiter zu tun hatten, als daß sie milde Gaben unter den Leuten verteilten. Vermutlich rümpften sie über die Einrichtung die
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