Spitze Buben
aus einem Mammutfuß. »Davon gibt es nicht viele.«
Zeck sah mich verschlagen von der Seite an und interpretierte meine Miene beim Anblick dieses eher bodenständigen Designerprunkstücks richtig. Sein steinerner Gesichtsausdruck löste sich einen Moment, und er stimmte mir zu. In diesem Augenblick schlossen wir einen sehr wackligen Waffenstillstand.
Der zweifellos nicht länger halten würde wie Karentas letzter Waffenstillstand mit Venageta, also höchstens sechseinhalb Stunden.
»Manchmal können wir die Vergangenheit nicht abschütteln, Sir.«
»Also war Maggie Jenn Großwildjägerin?«
Vorbei war's mit der Waffenruhe. Einfach so. Verdrossen schlurfte er voran. Wahrscheinlich, weil ich mit meiner Bemerkung zugegeben hatte, daß ich nicht die leiseste Ahnung hatte, was Maggie Jenn eigentlich war.
Wieso nahm eigentlich jeder an, daß ich wissen müßte, was sie war? Einschließlich meiner eigenen Wenigkeit. Mein berüchtigtes Erinnerungsvermögen entsprach heute vollendet seinem Ruf.
Zeck drängte mich in das bisher schlimmste Zimmer. »Madame wird gleich zu Ihnen kommen.« Ich sah mich um, hielt mir die Augen zu, und fragte mich langsam, ob Madame vielleicht gar eine »Madame« war. Dieser Raum war eindeutig in Puff-Modern eingerichtet, vermutlich von denselben schnuckeligen Knaben, welche die Ausstaffierung der Superklasse-Bordells im Tenderloin verbrochen haben.
Ich wollte eine Frage stellen.
Fürchtenicht hatte sich verdünnisiert.
Fast hätte ich ihn angefleht zurückzukommen. »Zeck, bitte, bring mir eine Augenbinde!« Mir fiel keine andere Möglichkeit ein, wie ich diesen Anschlag auf meine Sehnerven anders überstehen sollte.
8. Kapitel
Es machte mich fertig. Ich stand herum, als hätte ich gerade einer Medusa tief in die Augen geschaut. Soviel Rot hatte ich noch nie gesehen. Alles war vom rötesten Rot, überwältigend rot. Die überall verstreuten kleinen goldfarbenen Blättchen verstärkten den Eindruck nur noch.
»Garrett.«
Maggie Jenn. Ich wagte nicht, mich umzudrehen, weil ich befürchtete, daß auch sie Scharlachrot und ein Lippenrouge tragen würde, mit dem sie aussah wie ein Vampir, der sich zum Dinner umgezogen hat.
»Leben Sie noch?«
»Ich bin nur fasziniert.« Ich wedelte schwach mit der Hand. »Das hier ist überwältigend.«
»Es macht einen fertig, nicht? Aber Theo gefiel es, Gott weiß warum. Dieses Haus war ein Geschenk von Theo, also habe ich diesen Teil so gelassen, wie er es mochte.«
Nun drehte ich mich doch um. Nein, sie trug kein Rot. Sondern ein schickes hellbraunes Gewand mit weißer Spitze und einer albernen Milchmädchenkappe auf dem Kopf. Außerdem trug sie ein mächtig amüsiertes Lächeln zur Schau, das verriet, wie sie sich auf meine Kosten amüsierte. Allerdings ließ es mir die Möglichkeit, bei dem Spaß mitzulachen. »Mir fehlt was: die Pointe.«
Ihr Lächeln erlosch. »Was wissen Sie über mich?«
»Nicht viel. Ihren Namen. Daß Sie die erotischste Frau sind, der ich seit einer Ewigkeit begegnet bin. Verschiedene offensichtliche Charakteristika. Daß Sie in einer vornehmen Gegend wohnen. Und das war' soweit alles.«
Sie schüttelte den Kopf, daß die roten Locken nur so flogen. »Berühmtheit ist auch keinen Pfifferling mehr wert. Kommen Sie mit. Hier bleiben wir nicht. Sie würden erblinden.«
Wie angenehm, daß mir jemand die klugen Sprüche abnahm. Er ersparte mir die Mühe, sie mir auszudenken, und den Ärger, meine Gastgeberin damit zu verstimmen.
Sie führte mich durch verschiedene bemerkenswerte Räume, die alle nicht bedeutsam genug waren, sie zu erwähnen. Plötzlich standen wir unvermittelt wieder in der wirklichen Welt. Ein Eßzimmer, in dem für zwei gedeckt war. »Wie eine Nacht auf dem Elfberg«, sagte ich leise.
Sie hatte ein ausgezeichnetes Gehör. »So habe ich mich auch immer gefühlt. Diese Zimmerfluchten können einen einschüchtern. Machen Sie nur, setzen Sie sich.«
Ich wählte den Stuhl, der ihrem gegenüberstand. An dem Tisch hätten ohne weiteres zwei Dutzend Personen Platz gefunden. »Ist das hier ein Liebesnest?«
»Es ist das kleinste Eßzimmer, das ich habe.« Sie lächelte unmerklich.
»Sie und Theo?«
Sie seufzte. »Wie schnell die Schande versickert. Nur noch die Familie erinnert sich daran. Aber das ist auch ganz gut so. Sie sind für alle anderen mit verbittert. Theo ist Teodoric, Prinz von Kamark. Er wurde Teodoric IV. und hielt sich ein ganzes Jahr.«
»Der König?« Die Glocken läuteten. Endlich.
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