Spitze Buben
Gesäusel. Das kaufe ich Ihnen sowieso nicht ab. Ich halte mich an Logik und Fakten. Dafür bin ich bekannt. Garrett, der sachliche Schnüffler. Vielleicht rücken Sie einfach ein paar Tatsachen raus, statt Ihre Energie damit zu verschwenden, mir diese heißen Blicke zuzuwerfen?«
»Seien Sie nicht so grob, Garrett. Es fällt mir genauso schwer wie Ihnen.«
10. Kapitel
Endlich kamen wir zu der Suite, die Maggies Tochter Smaragd gehörte. »Smaragd?« Hatte ich richtig gehört? »Was ist mit Justina?« Smaragd. Hätte ich mir denken können. Was ist nur aus all den entzückenden Patricias und Bettys und Lillemors geworden?
»Ich habe ihr den Namen Justina gegeben. Smaragd hat sie sich selbst ausgesucht, also sehen Sie mich nicht so an.«
»Wie sehe ich Sie denn an?«
»Als fänden Sie mich zum Kotzen. Sie hat ihn sich selbst ausgesucht. Mit vierzehn. Alle nennen sie so, deshalb benutze ich den Namen manchmal selbst.«
»Gut. Smaragd. Sie besteht darauf.« Natürlich. Das wurde aus Patricia und Betty und Lillemor. Sie nennen sich Amber und Brandi und Farah. »Vielleicht hat sie wieder zu Justina zurückgefunden. Wenn's ernst wird, suchen sie alle nach ihren Wurzeln. Gibt es noch was, was ich über die Suite wissen sollte, bevor ich anfange, sie auf den Kopf zu stellen?«
»Was meinen Sie?«
»Könnte ich auf etwas stoßen, für das Sie sich vorher entschuldigen wollen?«
Wundersamerweise kapierte sie sofort. »Möglich. Da ich das Zimmer allerdings nie betrete, habe ich noch keine Ahnung, was es sein könnte.« Herausfordernd sah sie mich an. »Suchen Sie Streit?«
»Nein.« Obwohl ich instinktiv vielleicht nicht wollte, daß sie mir zusah. »Um auf den Namen zurückzukommen:
Ich würde hierbei gern Schritt für Schritt vorgehen und alles hören, was Sie mir sagen können, bevor ich nach Dingen suche, von denen ich nichts weiß.«
Wieder warf sie mir diesen gewissen Blick zu. Zu Recht. Ich war etwas gereizt. Hatte ich eine derartig starke Abneigung gegen meine Arbeit entwickelt? Oder lag es daran, daß ich wußte, sie würde lügen, die Wahrheit verdrehen und alles tun, damit die Wirklichkeit ihrer eigenen Sicht entsprach? Alle machen das, sogar, wenn keine Hoffnung besteht, damit durchzukommen. Menschen. Manchmal kommt man wirklich ins Grübeln.
»Sie wurde nach ihrer Großmutter Justina genannt.«
Ich verstand ihren Tonfall. Jedes Kind würde es ablehnen, nach irgendeinem alten Greis benannt zu werden, den oder die sie niemals kennengelernt hatte. Der Name ist ihnen völlig schnurzpiepegal. Meine Mutter hat dieses Spielchen auch mit mir und meinem Bruder gespielt. Ich weiß nicht, warum es ihr so wichtig war. »Gab es dafür einen besonderen Grund?«
»Der Name wird seit ewigen Zeiten in der Familie benutzt. Und Großmama wäre gekränkt gewesen, wenn ...«
Das Übliche. Ich habe es nie begreifen können. Man verurteilt ein Kind zu lebenslangem Elend, weil man jemand anderem auf die Zehen tritt, wenn man es nicht tut. Herzlichen Glückwunsch, ein dreimal schallendes: Pfui! Wer leidet da wohl länger drunter?
Smaragds Suite betrat man durch einen kleinen Salon, in dem ein kleiner Schreibtisch mit einem passenden Stuhl aus hellem Holz standen. Auf dem Tisch thronte eine Öllampe. Es gab noch einen Stuhl, eine Kiste mit einem Kissen darauf und ein zierliches Regal. Das Zimmer war makellos sauber und weit spartanischer, als es sich in meiner Beschreibung anhört. Es wirkte nicht sehr vielversprechend.
Ich hasse es, wenn Leute nur aus Langeweile saubermachen. »Ist Ihre Tochter vorher jemals abgehauen?«
Maggie zögerte. »Nein.«
»Warum das Zögern?«
»Ich mußte überlegen. Ihr Vater hat sie entführt, als sie vier war. Ein paar Freunde hatten ihn davon überzeugt, daß ein Kind ohne Mutter besser dran ist.«
»Könnte er so was jetzt noch mal versuchen?«
»Unwahrscheinlich. Er ist seit acht Jahren tot.«
»Dann stehen die Chancen gut, daß er es nicht war.« Es war ein ungeschriebenes Gesetz, daß Tote sich nicht in Sorgerechtsstreitigkeiten einmischten.
»Hat sie einen Freund?«
»Ein Mädchen aus der Oberstadt?«
»Gerade die Mädchen aus der Oberstadt. Wie viele hat sie?«
»Was?«
»Glauben Sie es oder nicht, Mädchen vom Hügel können sich viel leichter rumtreiben als die Bürgerlichen.« Ich nannte ihr einige Beispiele aus einem meiner Fälle, in denen eine Herde Oberstadtmädels sogar im Tenderloin gearbeitet hatten; aus Spaß an der Freude.
Das verblüffte Maggie Jenn.
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