Spitze sein, wenn's drauf ankommt
du pro Sekunde überwunden hast. Wie viele Stufen du auf einmal nimmst, entscheidest du selbst.
Und? Hast du drei Stufen je Sekunde geschafft? Thomas hält diese Geschwindigkeit übrigens für weitere 88 Stockwerke.
In dem Fernsehbeitrag erzählt Thomas, dass er in Zukunft Treppenlaufseminare anbietet. Im August 2008 fahre ich daraufhin nach Berlin, wo Thomas sein erstes „Run2sky“-Training anbietet. Thomas und eine Handvoll Verrückter – einer davon bin ich – stehen in der Lobby des Hotels Park Inn, dem höchsten Gebäude Berlins. Hier will uns Thomas in die Welt des Treppenlaufs mitnehmen.
Das Treppenhaus ist grau, die Luft trocken und es riecht etwas modrig. Unseren Blick richten wir steil nach oben. Das ist, als wenn du in einen tiefen Brunnen schaust, nur dass dieser nach oben führt. Das Zählen der Stockwerke ist unmöglich, so weit können wir gar nicht gucken. Thomas motiviert uns und sagt: „Treppenlaufen macht Spaß, oben habt ihr eine schöne Aussicht und ihr bekommt einen knackigen Hintern davon. Das mögen die Frauen. Dafür lohnen sich die 39 Stockwerke, 128 Höhenmeter und 770 Stufen.“
Treppenlaufen ist ähnlich hart wie die Umgebung, in der es stattfindet. Thomas sieht jedoch stets das Positive: „Du kannst auch im Winter Shorts tragen.“ Er gibt uns noch ein paar wichtige Tipps mit auf den Weg: „Schaut, dass ihr zwei Treppenstufen nehmt. Setzt den Arm ein und zieht euch am Geländer hoch. Lauft nicht zu schnell los. Denn die paar Sekunden, die ihr am Anfang zu schnell lauft, verliert ihr hinten raus im Quadrat.“ Er gibt den Start frei. Vor dem Start dachte ich mir noch: Ich zähle die Stufen, ob es auch wirklich 770 Stufen sind. Das lenkt ab. Dieser Vorsatz ist jedoch schnell Geschichte. Bereits nach sieben Stockwerken habe ich mich komplett verzählt. Ich stelle schnell fest, dass dich bei so einer Belastung ganz andere Gedanken beschäftigen. Bei Stockwerk zehn merke ich, wie die Beine langsam müde werden. Ich reiße mich zusammen. Doch nach 19 Stockwerken lassen meine Kräfte stark nach. Die Beine sind schwer wie Blei. Und nun? Weiter, was sonst? Ich laufe weiter, Stockwerk für Stockwerk. Mensch, ich will da hoch. Ich schnaufe wie ein Elch. Inzwischen haben wir das 30. Stockwerk passiert. Noch sind es acht Stockwerke, die zurückzulegen sind.Ich sage mir: „Quäl dich. Ich will da mit allen Mitteln hoch und den tollen Ausblick über Berlin erleben.“ Und ich sehe Licht am Ende des Tunnels. Der Ausgang zur Aussichtsplattform in 128 Meter Höhe ist erreicht. Meine Schenkel brennen wie Hölle. Dann muss ich husten, es breitet sich ein seltsam metallischer Blutgeschmack im Mund aus. Vergleichbares habe ich bis dahin noch nicht erlebt. Insgesamt brauche ich am Ende für die 770 Stufen 3:49 min. Der Fußballer in unserer Gruppe ist knapp 15 Sekunden schneller. Zwischen einer und eineinhalb Minuten später kommen die anderen drei und unser Trainer Thomas oben an. Wir sind alle fix und fertig – außer Thomas, der gemütlich neben den anderen leichtfüßig von einem auf den anderen Fuß hüpfte, wie sie später erzählen. Der Blutgeschmack im Mund ist auch Minuten später noch da, der Husten sogar noch einen Tag später. „Wenn du ein paar Treppenläufe hinter dir hast, sind auch der Blutgeschmack und Husten weg. Da gewöhnst du dich dran“, will mich Thomas beruhigen. Ich sage nur leise – lauter geht's gerade nicht: „Glaubst du etwa, dass ich mir diese Qual nochmal antue?“
Thomas sagt kurz darauf auf der Aussichtsplattform diesen wichtigen Satz:
„Ein Treppenhaus ist lang, am Ende treibt
dich nur noch der Wille nach oben.“
Diesen Satz unterschreibe ich zu 100 %. Ausschließlich mein WILLE, die Aussichtsplattform zu erreichen – zu Fuß anstatt mit dem Lift – hat mich nach oben getrieben. Dieser Wille ist es, der dich Herausforderungen meistern und Ziele erreichen lässt, von denen du vorher nur geträumt hast. Ohne diesen Willen wäre ich spätestens nach zwanzig Stockwerken ausgestiegen und hätte aufgegeben. Doch diese Alternative gab es erst gar nicht, da der Wille groß genug war, es unbedingt schaffen zu wollen. Vor allem hatte uns Thomas eins versprochen: „Eine traumhafte Aussicht über Berlin.“ Und er hat sein Versprechen gehalten. Die Aussicht war der absolute Hammer. Mit der Aussicht stellte sich das Glücksgefühl ein, es geschafft zu haben und diesen tollen Ausblick genießen zu dürfen. Das Glücksgefühl spürte ich im ganzen Körper. Dafür
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