Splitter
Büro, lädst dein Handy auf, holst dir dein Geld und dann dein Leben zurück. Deine Identität.
Das Taxameter klackte auf zwölf Euro dreißig, und ein Gedanke löste sich in Marcs Gehirn. Er versuchte ihn zu verdrängen, wusste im nächsten Moment aber, dass er ihm nachgehen musste, wenn er herausfinden wollte, was um ihn herum gerade vorging. Sollte irgendjemand sein Handy manipuliert haben, dann ließ sich das nur mit dem Telefon eines Unbeteiligten überprüfen.
»Entschuldigung ?«
Er hielt sein Mobiltelefon so, dass der Fahrer es nicht sehen konnte, und beugte sich nach vorne.
»Könnten Sie mir einen Gefallen tun?«
Popeye nahm sofort den Fuß vom Gas und fuhr rechts ran, obwohl er noch zweihundert Meter von seinem Ziel entfernt war.
»Sie können nicht zahlen?«, fragte er misstrauisch und drehte sich um. Marc schob sein Handy unter den Oberschenkel.
»Nein, nein. Ich glaube, ich habe mein Telefon verloren. Würden Sie mich bitte mal anrufen?« Marc deutete auf das Handy des Fahrers, das neben dem Taxameter in einer Plastikhalterung hing. Es fungierte gleichzeitig als Navigationssystem. »Verloren? Sie haben doch beim Einsteigen noch damit telefoniert! »
Scheiße. Marc war so durch den Wind, dass er daran gar nicht mehr gedacht hatte.
»Das ist nur mein Zweithandy. Aber mein Blackberry ist verschwunden«, log er hastig. Die Skepsis des Taxifahrers war nicht zu übersehen.
»Sind Sie schwul ?«, fragte er. »Wie kommen Sie denn darauf?«
»Na ja, ist doch ein beliebter Trick. Ich ruf Sie an, damit Sie meine Nummer haben. Aber so einer bin ich nicht. Ich trag zwar gerne mal Leder, aber das heißt nicht … »
»Nein, keine Sorge. Ich will wirklich nur wissen, ob ich mein Diensthandy irgendwo verloren habe oder ob es noch bei meiner Freundin liegt. Ich würde mich ja selber anrufen, aber bei dem Ding hier ist der Akku leer.« Er zog sein Handy wieder unter dem Oberschenkel hervor.
Der Fahrer zögerte noch. »Meine Rufnummer ist sowieso unterdrückt. »
»Sehen Sie, dann gibt’s ja kein Problem.«
Popeye spannte den Bizeps an, schnaubte verächtlich, riss dann aber das Handy beinahe gewaltsam aus der Halterung und tippte die Nummer ein, die Marc ihm diktierte. »Es klingelt«, sagte er nach einer Weile und nahm das Telefon vom Ohr.
Marc hörte es leise tuten, obwohl sein Display keinen eingehenden Anruf anzeigte.
Also lag ich richtig. Sie haben einfach die SIM-Karte ausgetauscht. Aber wieso nur?
»Sagten Sie nicht, Sie haben es bei einer Freundin liegen lassen?«, unterbrach der Fahrer Marcs Gedanken.
»J a?«
»Hier ist aber ein Mann dran.«
»Was?«
Popeye reichte ihm das Handy nach hinten.
»Hallo ?«, hörte er eine tiefe Stimme mehrfach hintereinander fragen, als er es sich ans Ohr hielt. »Entschuldigung, ich habe mich wohl verwählt.«
»Kein Problem, wen wollten Sie denn sprechen?« Marc nannte ihm seinen vollen Namen und wollte schon auflegen, als der Mann freundlich zu lachen begann. »Na, dann sind Sie ja doch richtig, Sportsfreund, was gibt’s denn?«
»Wie bitte?«
Das Handy drohte ihm aus den schweißnassen Fingern zu rutschen, und sein Puls schien sich auf das Doppelte zu beschleunigen.
»Also, ich bin Marc Lucas«, sagte der Fremde am anderen Ende, »mit zwei c.« Er kicherte. »Warten Sie bitte kurz, ich bin gleich für Sie da.«
Es raschelte, und der Mann sagte dumpf: »Was’n los, Schatz?«
Dann entglitt Marc der Telefonhörer. Kurz nachdem er die Frau im Hintergrund hatte lachen hören. Sandra.
17. Kapitel
»Hey, Sie kriegen noch Ihr Wechselgeld!«, rief ihm der Taxifahrer hinterher, doch Marc drehte sich nicht mehr um. Er musste raus aus dem Auto. Raus an die frische Luft, auch wenn er wusste, dass die seinen Brechreiz nicht mindern würde. Normalerweise überfiel ihn die Übelkeit, kurz nachdem er seine Medikamente genommen hatte. Doch jetzt ging sie einzig und allein auf das Telefonat zurück, das er eben mit dem Unbekannten geführt hatte. Ein Unbekannter, der meinen Namen trägt? Mein Leben lebt?
Das Taxi hatte auf der falschen Seite gehalten. Trotz seiner Müdigkeit versuchte Marc die letzten hundert Meter zu der Ampel zu rennen, die er überqueren musste, wenn er zu seinem Büro wollte, doch schon nach wenigen Schritten bekam er Seitenstechen. Früher hatte er problemlos zehn Kilometer joggen können. Seit dem Unfall schien seine Kondition auf dem Stand eines Krebspatienten zu sein. Und jetzt, nach all den bisherigen Ereignissen des Tages, war das
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