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Splitter

Splitter

Titel: Splitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Moment bog ein Polizeiwagen in die Straße und fuhr langsam das Kopfsteinpflaster herunter. Die uniformierten Beamten beobachteten ihn misstrauisch, als sie ihn im Schritttempo passierten.
    Marc stand auf und überlegte kurz, ob er der Streife ein Zeichen zum Anhalten geben sollte, doch dann verpasste er den Moment, und der VW-Bus bog schon wieder um die Ecke.
    Er rannte ihm hinterher, die Kopfsteinpflasterstraße herunter bis zur nächsten Kreuzung, rannte immer schneller, einmal um den Block, obwohl er ganz genau wusste, dass er sein Auto nicht in einer der Seitenstraßen abgestellt hatte. Schließlich stand er atemlos wieder vor dem Eingang seines Mietshauses und sah nach oben. Im dritten Stock, dort, wo sich das Zimmer mit den zahlreichen Umzugskisten befand, die er noch nicht ausgepackt hatte, dort, wo die Bilder auf dem Laminatboden standen und das leere Aquarium als Mülleimer diente, genau dort wich gerade jemand hinter dem Vorhang zurück. Jemand mit langen, blonden Haaren.
    Okay, Schluss jetzt mit dem Irrsinn.
    Marc griff in die Hosentasche und fingerte neben dem Anmeldeformular und einem leeren Tablettenstreifen sein Handy hervor. Er hatte in seinem Leben nicht oft um Hilfe bitten müssen, aber jetzt kam er definitiv nicht mehr alleine klar.
    Ich werde erst bei mir zu Hause anrufen, um zu sehen, ob Sandra abnimmt. Dann Constantin, vielleicht sogar die Polizei …
    »Scheiße, was soll das denn?«, sprach Marc schon wieder zu sich selbst. Dann klappte er das Handy noch einmal zu und wieder auf. Er hörte das gewohnte Piepen, fuhr mit dem Daumen über den vertrauten Kratzer im Display, sah den bekannten Wolkenhintergrund seines Bildschirmschoners, und dennoch fühlte das Handy sich fremd an. Nichts. Nicht ein einziger Eintrag. Es gab niemanden mehr, den er anrufen konnte, denn sein kompletter Rufnummernspeicher war gelöscht.
16. Kapitel
    »Nein, Lucas ist der Nachname. Und mit c. Ja, beides mit c, sowohl Marc als auch Lucas, haben Sie danach gesucht?«
    Marc hielt kurz das Mikro seines Handys zu und beugte sich zu dem Taxifahrer nach vorne, in dessen Mercedes er gerade eingestiegen war.
    »Karl-Marx-Straße, Höhe Hasenheide, bitte.«
    Der Mann quittierte die Angabe des Fahrziels, indem er die Nase hochzog und das Radio lauter drehte. Indische Sitarmusik schepperte über die Lautsprecher. »Nichts? Das Kennzeichen ist B - YG 12. Okay, okay. Er wurde also nicht abgeschleppt? Danke.«
    Er beendete die Verbindung zur polizeilichen Sammelstelle, mit der die Auskunft seines Handyproviders ihn eben verbunden hatte. Im nächsten Moment wurde er in die mit Kunststoffschonern überzogenen Sitze gedrückt, als der Diesel überraschend fest anzog. Er suchte nach dem Anschnallgurt, aber der war hinter die umklappbare Rückenlehne gerutscht.
    »Is was?«, fragte der glatzköpfige Fahrer und sah misstrauisch in den Spiegel, an dem zwei Filzwürfel baumelten. Gleichzeitig legte er den anabolikageformten Arm um die Kopfstütze des Beifahrersitzes. Mit einer Pfeife im Mund wäre er gut und gerne als Popeye-Imitator durchgegangen. Ja, da ist tatsächlich was. Ich bin gerade meiner Frau begegnet. Und ich würde mich gerne anschnallen, um nicht ihr Schicksal teilen zu müssen. Sie ist nämlich tot, wissen Sie?
    »Alles in Ordnung«, antwortete Mare. Er wäre gerne auf den Nachbarsitz gerückt, aber Popeye sah nicht so aus, als hätte er gerne einen Fahrgast im Rücken. Also blieb er, wo er war, und starrte unangeschnallt aus dem Fenster.
    Noch nie, selbst in den schlimmsten Zeiten der Trauer, hatte er sich so einsam gefühlt wie in diesem Augenblick.
    Es war erst fünf Minuten her, als er zum ersten Mal auf das leere Display seines Telefons gestarrt hatte. Fünf Minuten, seitdem ihm bewusst geworden war, wie sehr er im wahrsten Sinne des Wortes den Anschluss an sein Leben verloren hatte. Er hatte schon öfter mit Freunden darüber diskutiert, wie die Welt wohl aus den Fugen geraten würde, wenn es auf einmal keinen Strom mehr gäbe. Woran er nicht gedacht hatte, war, dass der Verlust seines Telefons einen fast ebenso gravierenden Einschnitt bedeutete. In einer Gesellschaft, in der das Handy nicht mehr nur der Kommunikation diente, sondern ein Computer war, mit dem man sein gesamtes soziales Leben verwaltete, gab es kein einfacheres Mittel, um jemanden von der Außenwelt abzuschneiden, als ihm seine SIM - Karte zu klauen.
    In den letzten Jahren hatte er nicht ein einziges Mal mehr eine Nummer gewählt, sondern immer im

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