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Splitterfasernackt

Splitterfasernackt

Titel: Splitterfasernackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilly Lindner
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Kaffeemaschine braucht, um die Bohnen zu mahlen und das Wasser zu erhitzen, erzählt Brittany mir in einem einzigen Wortschwall von den unzähligen Männern, die sie im Passion bereits kennengelernt hat, und während sie Milch und Zucker in die Tassen schüttet, zählt sie für mich auch noch im Schnelldurchlauf alle anderen Mädchen auf, die zurzeit im Passion arbeiten.
    »Ich bin wirklich froh«, sagt sie schließlich, drückt mir eine Tasse dampfend heißen Kaffee in die Hand und muss erst einmal Luft holen, »ich bin wirklich froh, dass du jetzt auch hier bist! Also, wenn du bleiben magst, meine ich. Die anderen Mädchen sind zwar alle nett, aber sie unterhalten sich ständig auf Bulgarisch, ich sitze dann immer daneben und sage hm und aha und hmhm und bin die ganze Zeit über am Rauchen, weil ich mit niemandem quatschen kann. Mein Gott, ich habe heute bestimmt schon fast zwei Schachteln geraucht!«
    Ich lächele unsicher.
    Nein, mein Lächeln ist eher glücklich und durcheinander. Diese Atmosphäre hier, sie ist anders als alles, was ich bisher kannte. Sie hält mich fest und umfängt mich, ohne dass ich danach gesucht hätte. Und dann, wie selbstverständlich, ohne mich noch ein letztes Mal umzublicken, trete ich ein in diesen Abschnitt meines Lebens, der mir Geheimnisse über mich verrät, die ich mir mit fremder Stimme erzähle und die ich mir freiwillig ganz bestimmt niemals verraten hätte.

8
    I ch habe noch nie gern über meine Vergangenheit geschrieben. Ich will das Geschehene immer, so schnell es geht, hinter mich bringen, damit ich endlich anfangen kann, Geschichten zu erzählen, die mich selbst überraschen. Bei diesem Buch war es besonders schlimm – denn wie könnte ich auf eine vernünftige Art und Weise zu Papier bringen, warum ich so geworden bin, wie ich bin, und nicht besser.
    In den ersten Kapiteln wollte ich ein Bild von meinem gestörten Dasein aufzeichnen, damit es einigermaßen verständlich ist, was ich im Verlauf meiner Lebensgeschichte noch so alles falsch machen werde; und damit ich mich nicht ständig entschuldigen muss, für wen oder was auch immer. Aber um ehrlich zu sein, erzähle ich nicht gerne von früher, ich finde es erschreckend, dass ich vor zehn und vor zwanzig Jahren auch schon hier war.
    Aus Angst davor, depressiv zu werden, habe ich also in den ersten Kapiteln alles aneinandergereiht und mich schnell mal eben erwachsen werden lassen. Heutzutage liest man ein Buch doch sowieso erst ab Seite fünfzig. Es sei denn, es geht um Vampire.
     
    Als die ersten Seiten von diesem Buch schließlich fertig sind, gehe ich meine neue beste Freundin Lady in ihrer Luxuswohnung besuchen und gebe ihr einen Auszug zum Lesen.
    »Hm«, sagt Lady, schiebt sich eine knallrote Cocktailkirsche in ihren hübschen Mund und kaut andächtig darauf herum, »da fehlt aber eine ganze Menge.«
    »Ich weiß«, antworte ich ungeduldig, »das ist ja auch nur der Anfang, das Wichtigste.«
    Lady blickt sehr lange auf die beschriebenen Blätter in ihrer Hand und anschließend genauso lange auf meine nicht vorhandenen Brüste.
    »Also, Schätzchen«, sagt Lady dann, während sie anfängt, Limetten für einen Drink zu zerschnippeln, »das Wichtigste über dich ist nicht, zu wissen, was dir geschehen ist, sondern zu sehen, wer du bist. Diese Kapitel sind vielleicht ein kreischender Einblick in dein Leben, aber bestimmt nicht das Wichtigste. Irgendwann einmal, in ein paar Jahren, wenn du mehr als 40  Kilo wiegst und wieder etwas verträgst, gehen wir ordentlich einen saufen, und danach schreibst du ein neues Buch, mit einem neuen Anfang, und dann darfst du mir die ersten Seiten in die Hand drücken und sagen: ›Das ist das Wichtigste!‹ Und ich werde es dir glauben, ohne ein einziges Wort davon zu lesen, weil du mich anlächeln wirst und nicht mehr guckst wie ein benutztes Kondom.«
    »Danke«, sage ich und verdrehe meine Augen, »deine Wortwahl ist wie immer sehr erfrischend.«
    »Wieso?«, fragt Lady. »Hast du etwas gegen Kondome?«
    »Nein«, sage ich.
    »Gut«, sagt Lady, »die sind nämlich sehr nützlich. Nur blasen mit Kondom ist ziemlich scheiße, ich hasse diesen Gummigeschmack im Mund, da helfen auch Kondome mit Erdbeergeschmack nicht, die sind sogar noch schlimmer, ganz zu schweigen von diesem Tuttifrutti-Scheiß – oh, und da wir gerade beim Blasen sind, Süße, was du unbedingt mal ausprobieren musst, ist …«
    Ladys Telefon klingelt, schrill und laut wie Lady selbst, und unterbricht unser

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