Splitterfasernackt
Gespräch, bevor sie anfangen kann, mir irgendwelche von ihren außergewöhnlichen Oralverkehrtipps zu geben, die sie so schnell herunterrattern kann, als ginge es darum, Miss-ich-blas-dir-dein-Hirn-weg zu werden. Lady wirft schnell noch ein paar Limettenstückchen in ein Glas, schnappt sich dann ihr Handy und wedelt theatralisch mit meinen beschriebenen Seiten in der Hand umher, während sie, wem auch immer, zu erklären versucht, dass sie absolut keinen Bock hat, mit ihm eine Reise auf die Kanaren zu machen, und zwar fucking gleichgültig wie viele Sterne und Whirlpools das Hotel zu bieten hat. Dann legt Lady auf und strahlt mich augenzwinkernd an.
»Das war Jonathan«, sagt sie.
Ich habe nicht die geringste Ahnung, wer Jonathan ist. Lady wird am Tag von mindestens dreißig verschiedenen Männern angerufen. Sie hat mehr Freunde als Strings, und Lady hat immerhin zwei ganze Schränke voll mit Dessous.
»Irgendwann werde ich ihn heiraten«, fügt sie hinzu, klimpert mit ihren übertuschten, nachtschwarzen, künstlichen Wimpern und schnappt sich eine weitere Limette.
»Aber bestimmt nicht heute«, ergänzt sie dann mit diesem unverkennbaren sexy Klang in ihrer Stimme, mit dem sie auch noch den treusten Ehemann dazu bringt, sie mit exklusiven Geschenken zu überhäufen, sie auf Knien anzubeten und ihr verbotene Sachen ins Ohr zu hauchen. Anschließend geht Lady so nahtlos von Jonathan zu meinem Manuskript über, als könnte man beides am Abend gleichermaßen gut im Bett gebrauchen: »Weißt du, Lilly – dein Text gefällt mir trotzdem. Vor allem die Stelle, an der du die ganzen Antidepressiva-Pillen einwirfst und mit riesigen Glupschpupillen durch die Gegend stakst. Das war echt lustig. So sehe ich dich gerne. Aus sicherer Entfernung jedenfalls und weil ich weiß, dass du darüber hinweggekommen bist. Aber wenn du schon meinst, dass das der passende Anfang für deine Geschichte ist, dann solltest du einen gewissen Tag nicht auslassen.«
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sage ich kurz angebunden.
»Doch«, sagt Lady.
»Nein«, sage ich stur.
»Von mir aus«, sagt Lady und zündet sich eine Zigarette an »dann lass uns shoppen gehen, ich brauche einen neuen Rock, der hier ist zu lang, wozu habe ich denn diese atemberaubenden Beine! Aber die Farbe ist echt geil, deshalb habe ich das Ding überhaupt gekauft. Verruchtes Bumsmichlila. Findest du nicht auch?«
Ich schüttele den Kopf.
Lady lacht.
»Du musst noch viel lernen, Süße«, flötet sie in mein Ohr.
Dann schiebt sie mir eine Cocktailkirsche zwischen die Lippen und tanzt mit ihrem Glas in der Hand durch die Wohnung, als wäre jedes Schicksal ein schicker Saal. Mit offenen Türen.
Später an diesem Tag sitze ich in meinem Schlafzimmer, dicht an die Heizung gedrängt, weil mein Körper schon längst vergessen hat, wie die Thermoregulation eines Menschen funktioniert, und denke über Ladys Worte nach. Sie hat recht. Natürlich. Wie meistens.
Ein Tag in meinem Leben ist weiter weg von mir als jeder andere. Ich lasse ihn gerne aus, wenn ich von mir erzähle, aber ich denke an ihn, viel zu oft und viel zu deutlich. Ich habe die schönsten Lügen erfunden, um alles zu verdrehen und diesen Tag in ein weißes, sauberes Licht zu tauchen.
Und, klug wie ich bin, habe ich den Anfang so schnell wie möglich aufgeschrieben, damit ich ihn hinter mir habe und mich den lustigeren Sachen zuwenden kann. Das ist schließlich mein Buch, ich habe das Recht, jeden beliebigen Tag meines Lebens einfach wegzulassen oder durch einen schöneren zu ersetzen. Aber wie das nun einmal so ist, tigere ich unruhig um meinen Laptop herum, fange Sätze an, lösche sie wieder, schreibe Kapitel, lösche sie wieder und weiß, bevor ich diesem einen Tag keine Worte gegeben habe, werde ich nicht fertig. Außerdem sehe ich Ladys allwissendes Gesicht vor mir, ihre auffordernd klimpernden Wimpern, ihre funkelnden Augen, und ich will nicht, dass sie mich für feige hält.
Also grübele ich ein bisschen. Manchmal kann ich das gut; aber heute nicht. Stattdessen wird mir schwindlig, und ich kippe von meinem Stuhl. Wenn Lady jetzt hier wäre und meinen Abgang mit angesehen hätte, dann würde sie mich anfauchen: »Süße! Es soll Menschen geben, die achtsam mit sich umgehen! Kannst du dir das vorstellen?! Das soll angeblich dabei helfen, den Tag zu bestehen und nicht aus Versehen von einem Laster plattgewalzt zu werden. Wie wäre es, wenn du das auch mal versuchst?!«
Ich würde ihr die
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