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Splitterfasernackt

Splitterfasernackt

Titel: Splitterfasernackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilly Lindner
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gesagt und ihn einfach zum Dank umarmt. Denn alle Männer lieben es, wenn ich meine bleichen Zombiearme um sie schlinge.
    Und Jonas hat mir zugeflüstert: »Mit dir fühlt es sich an wie Liebe, nicht wie ein Geschäft. Mit dir vergesse ich, dass wir zwei Fremde in einem fremden Bett sind, umgeben von aufgebauschten Seidenkissen und den tickenden Zeigern der Uhr.«
    Nach diesen Worten.
    Wollte ich das schneeweiße Laken von dem Himmelbett reißen, es in grobe Streifen zerrupfen, ein langes Seil daraus knüpfen und mich anschließend damit direkt unter dem pompösen Kronleuchter erhängen.
    Aus Neid. Auf ein Gefühl.
    Das ich nicht annähernd begreifen kann.
    Aus Angst. Bis zum letzten Tag alleine bleiben zu müssen.
    Weil die Sehnsucht unaufhaltsam tobt.
    Weil der Schmerz in mir brennt.
    Und ich nicht weiß, ob er jemals aufhören wird.
     
    Auf der Fahrt nach Schmargendorf kommen wir an meinem alten Kinderheim vorbei. Ich presse meine Stirn ganz fest an die kalte Scheibe, um das Haus besser sehen zu können: Es ist dunkel, in keinem einzigen der Fenster brennt Licht, aber ich weiß, dass hinter diesen gläsernen Scheiben Kinder und Jugendliche in ihren Bett liegen und darauf warten, ein Versprechen zu hören, an das sie glauben können.
    »Ich wünsche euch Glück«, flüstere ich so leise, dass der Taxifahrer es nicht hören kann. »Ich wünsche euch eine Zukunft und dass ihr so viele Chancen bekommt, wie ihr braucht.«
    Das Kinderheim verschwindet wieder aus meinem Blickfeld, und wir fahren weiter die Straße entlang, vorbei an den schönen Villen und Vorgärten. Schließlich biegen wir noch einmal ab, und dann sind wir auch schon da. Der Taxifahrer hält vor einem großen sandsteinfarbenen Haus mit einem weißen Gartenzaun. Nachdem er ohne mich wieder davongebraust ist, gehe ich langsam auf das große Gartentor zu. Es steht schon offen. Ich zögere einen Moment. Es ist bestimmt höflicher, trotzdem zu klingeln. Also drücke ich kurz auf den Knopf mit der Aufschrift »S.« und laufe dann weiter, über den mit Marmorsteinen ausgelegten Gartenweg bis hin zu der hell beleuchteten Villa. Hinter mir ertönt das leise Summen der Gartentoröffnung. Ich steige die sieben Treppen des Portals hinauf, klingele ein weiteres Mal bei S., und sofort ertönt ein erneutes Summen, das mir den Weg in die Eingangshalle öffnet.
    Mit etwas wackligen Knien laufe ich die Treppen hinauf. Hoffentlich gefalle ich ihm, überlege ich unsicher und blicke mich um; unter meinen Füßen befindet sich purpurroter Teppich, an den Wänden hängen uralte Gemälde, das Treppengeländer glänzt frisch poliert, und auf jedem Stockwerk steht ein großer Topf mit einem hübschen Bonsai. Einige Schritte später bin ich schon fast im dritten Stock angelangt – während ich noch dabei bin, die letzten Stufen emporzusteigen, öffnet ein freundlich aussehender Mann bereits die Wohnungstür. Er hat kurzes, grauweißes Haar, ein warmes Lächeln im Gesicht und eine sportliche Figur. Seine Ausstrahlung ist das Erste, was mir an ihm auffällt. Er sieht so aus, als wäre er sehr zufrieden mit dem, was er in seinem Leben erreicht hat; er wirkt ausgeglichen.
    Und er hat ganz bestimmt keine beste Freundin, die Ana heißt. Und mit Sicherheit auch keine Mia.
    Ich beneide ihn darum.
    Währenddessen reicht er mir höflich seine Hand.
    »Hallo«, sagt er, »ich bin Thomas.«
    »Freut mich, dich kennenzulernen«, antworte ich schüchtern. »Ich bin Felia.«
    »Darf ich?«, fragt Thomas und nimmt mir kurz darauf meine Jacke ab.
    Dann führt er mich in seine Wohnung, zeigt mir die geschmackvoll eingerichteten Zimmer und bietet mir einen Platz auf seinem überdimensionalen Sofa an, vor dem ein großer runder Glastisch steht.
    »Möchtest du etwas zum Trinken haben?«, fragt er. »Ein Glas Sekt vielleicht, mit frischen Erdbeeren? Oder lieber Wasser oder Saft? Dasha hat mir gesagt, dass du keinen Alkohol trinkst.«
    »Wasser wäre nett«, sage ich »vielen Dank.«
    Im Passion versuchen die Mädchen ständig, mir irgendwelche Cocktails oder Wodka anzudrehen, aber ein Mensch, der so kaputt ist wie ich, der sollte sich lieber fernhalten von hochprozentigen Sachen und weißgepulvertem Glück.
    Wenigstens so viel Verstand habe ich noch.
     
    Thomas verschwindet einen Moment in der Küche und kommt kurz darauf mit einer Flasche Sekt, einer Karaffe Wasser und einer Glasschale voll dunkelroter, klein geschnittener Erdbeeren wieder. Ich sehe zu, wie er Sekt in sein Glas füllt und dann

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