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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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ich ihn in Ruhe.«
    »Du hast also kein Interesse, uns umzubringen - oder sonst etwas mit uns zu tun?«, vergewisserte ich mich.
    »Im Moment gibt es keinen Grund dazu«, antwortete Colin reser­viert. »Aber es sollte niemand außer dir erfahren, wer ich bin und was es mit deinem Vater auf sich hat. Darin hat er recht. Wecke nie­mals den Zorn von Mahren, Ellie. Das meine ich ernst.« Ich fand diese Antwort nur wenig beruhigend. Louis schüttelte prustend seine dichte Mähne. Seine Gegenwart brachte mich auf einen Gedanken.
    »Deine Stute von früher. Du hast erzählt, dass du sie verloren hast. Hat es etwas damit zu tun? Das waren doch keine neuen Fotos, das waren alte«, sprudelte es aus mir heraus.
    Colins Augen waren nun, da die Sonne untergegangen war und sich die Dämmerung aus den Zimmerecken hervorwagte, wieder tiefschwarz, aber das Glitzern in ihnen erlosch. Seine geschwunge­nen Mundwinkel verhärteten sich.
    »Natürlich hat es das. Sie erkannte mich nicht wieder. Sie hatte damals ein Fohlen und ich wollte mit den beiden fliehen, als ich begriff, was mit mir passiert war. Ich veränderte mich bereits. Trotz­dem wollte ich weg. Ich hasste Tessa, obwohl ich ihr verfallen gewe­sen war.«
    Colin stand auf und zündete schweigend die Kerzen eines großen Kandelabers an. Ich blieb stumm, in der Hoffnung, er würde weiter­erzählen.
    »Ich war Stallmeister - und Tag und Nacht mit ihr zusammen gewesen. Alisha. Dein Name erinnert mich an sie ...« Er lächelte kurz, doch es war ein trauriges Lächeln. »Ich hatte nie ein Pferd besser gekannt als sie. Aber als es passierte - sie war wie von Sinnen. Die anderen Pferde misstrauten mir auch, doch bei ihr war es am schlimmsten, weil sie ein Fohlen hatte. Sie musste es beschützen.«
    Colin zog sein Hemd aus der Hose, sodass ich seinen Bauch sehen konnte. Ich blickte so unbefangen wie möglich auf die Stelle, die er mir zeigte. Deutlich erkannte ich die runde Narbe eines Huf­abdrucks, die sich wie ein Halbmond um den Nabel wand.
    »Ich bin zu Fuß geflohen und habe Alisha zurückgelassen. Bis Tessa es merkte und vor allem auch glaubte, war ich bereits auf ei­nem Schiff untergekrochen und weit weg auf dem offenen Meer. Sie ist unglaublich arrogant. Und etwas dumm. Das war mein Vorteil.«
    Also gab es ihn immer noch, diesen uralten weiblichen Mahr.
    »Aber du reitest wieder - und wie!«, warf ich ein.
    »Ja.« Colins Züge lösten sich ein wenig. »Ich habe nicht aufgege­ben. Das mit Alisha - das konnte ich niemals vergessen. Irgend­wann, Jahre nach Tessa, sah ich ein Pferd, das eine Katze auf seinem Rücken trug - freiwillig. Und Katzen sind Raubtiere, seit jeher die größten Feinde der Pferde. Aber die beiden kannten sich eben. Also hab ich es noch einmal versucht. Ich brauche lange dazu, bis Pferde mich an sich heranlassen. Aber dann spüren sie rasch, dass ich weiß, was ich tue, und dass ich ihnen nichts Böses will. Das ist das Wun­derbare an diesen Tieren. Sie sind bereit, entgegen ihren Instinkten zu vertrauen. Schau dir Louis an - er könnte jederzeit fliehen. Aber er will nicht. Ich muss ihn nicht einmal anbinden.«
    Colins Augen waren nun weich und voller Leben, und während er sprach, bewegten sich seine dunklen Haarspitzen träge hin und her.
    »Er ist an meine kühle Haut gewöhnt und deine warme erschreckt ihn. Aber auch damit kann er sich abfinden - dass meine kühl ist und deine warm. Es braucht nur Zeit und Geduld und Verständnis. Selbst du bist für Pferde eigentlich ein Raubtier, egal, wie groß deine Angst ist - das weißt du, oder?«
    Tja. Mir war es eher umgekehrt vorgekommen.
    »Ich fühle mich überhaupt nicht wie ein Raubtier«, gestand ich.
    »Du hast spitze, hübsche Eckzähnchen - noch nie bemerkt? Das Fleisch hast du vorhin in bester Raubtiermanier verschlungen und dabei fast deine gute Erziehung vergessen. Und deine Haare - sie sehen aus wie die einer wütenden Waldhexe.« Er grinste entspannt und ich erwiderte sein Feixen unwillkürlich. Vorsichtig befühlte ich mit meiner Zungenspitze meine Eckzähne. Auch meine Backenzäh­ne waren scharf - manchmal, wenn ich schlecht träumte, biss ich mir damit die Wange auf.
    »Aber ich bin vor Papas Befall gezeugt worden. Ich muss ein Mensch sein. Oder hat er mich irgendwie - angesteckt?«
    »Nein. Um Himmels willen, nein. Aber du hast eine dünne Haut, sie ist wie fruchtbare Erde. Du spürst Dinge, die an anderen vorü­berziehen. Meine Forst- und Jagdkollegen finden mich allenfalls

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