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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Angst ge­wittert haben. Er wusste um sie. Das war ja ein starkes Stück. Und er gab es auch noch offen zu. Aber warum hatte er das alles getan, wenn er doch angeblich keine schlechten Absichten hegte und mein Vater ihm egal war? Ich dachte an das, was mein Vater im Auto zu mir gesagt hatte, an diesem grässlichen Montag nach dem Discowo­chenende. Dass Colin mich niemals lieben oder mögen würde. Und so war es wohl auch. Er versuchte mit aller Macht, mich endlich los­zuwerden. Ich war für ihn nicht mehr als eine Schmeißfliege.
    »Oh Gott«, stöhnte ich. »Ich wollte doch nie aufdringlich sein ... Das hatte ich mir so fest vorgenommen. Ich hasse aufdringliche Weiber.«
    Colin lachte. Es klang nicht glücklich und doch war es Musik in meinen Ohren.
    »Du hast einen entzückenden Rücken, aber bitte, Ellie, dreh dich wieder um.«
    Ich gehorchte widerwillig und holte tief Luft, bevor er etwas sagen konnte.
    »Gut, das Kind ist in den Brunnen gefallen - ich bin hier. Also erklär mir einfach, warum du mich nicht dahaben willst. Dann merke ich mir das, gehe heim und wir sehen uns nie wieder«, sagte ich und bemühte mich um einen gelassenen Tonfall. Colin lachte noch einmal. Und Louis prustete, weil er dieses Geräusch offenbar ebenso schön fand wie ich.
    »Es ist nicht so, dass ich dich nicht dahaben will. Du denkst, ich könne dir gefährlich werden. Ja, das ist möglich. Aber du bist auch eine Gefahr für mich, Ellie. Eine große sogar. Ich wollte uns beide schützen.«
    Erstaunt schaute ich auf. Es war sein Ernst.
    »Warum? Wie kann ich denn ...?« Ich begriff es nicht. Er war doch so viel kräftiger und mächtiger als ich.
    »Das kann ich dir jetzt nicht sagen.« Er versuchte zu lächeln. War das jetzt eine möglichst dramatische Ausrede? Oder waren Mahre generell beziehungsunfähig?
    »Bist du eigentlich - böse?«, fragte ich absichtlich naiv, obwohl es fast kindlich klang.
    »Denkst du das?«
    Ich sah die Katzen, die sich schnurrend an ihn drängten - vor­neweg Mister X, der majestätisch neben Colin Platz genommen hatte und mich mit seinen gelben Augen durchleuchtete. Ich sah Louis, der mit halb geschlossenen Lidern und hängender Unterlippe im offenen Fenster döste, die Ohren aufmerksam in Colins Rich­tung gestellt. Ich sah seine nackten, starken Arme, die mich zwar festgehalten, mir jedoch nicht wehgetan hatten. Nie.
    »Nein. Aber gefährlich bist du wohl. Und du bist in meine Träume eingedrungen«, sagte ich vorwurfsvoll.
    »Nicht so, wie andere Mahre es tun. Ich stehle keine schönen Träu­me und schönen Gefühle - jedenfalls nicht von Menschen. Nein. Bei dir - ist etwas passiert, mit dem ich nicht gerechnet habe. Ich ahnte, dass es passiert ist, aber ich weiß es erst jetzt mit Sicherheit.«
    »Was meinst du damit? Was ist da passiert?«
    Forschend taxierte Colin mich, als sei ich ein kleines wissenschaft­liches Wunder.
    »Es scheint, als würden unsere Erinnerungen manchmal ineinan­der übergehen. Und trotzdem - ich gestehe offen ...« Er grinste frech. »Nun, ich gestehe, dass ich mir deine Träume zwischendurch mal angesehen und sie beschnuppert habe, ohne davon zu kosten. Wie das Stück Torte hinter der Glasscheibe. Aber das war alles. Ehr­lich.« Er grinste noch breiter. »Kompliment. Du bist sehr traumbegabt.«
    Ich wollte mich schon bedanken, als ich begriff, was er da gesagt hatte. Colin hatte seinen Geist meinem genähert. Ich plusterte mich auf und wollte zu einem tadelnden Vortrag ansetzen, als mich sein Blick stoppte. Es war höllisch schwierig, in seine Augen zu schauen und gleichzeitig zu schimpfen.
    »Dann hast du mich also wirklich gesehen? In deinen Träumen? Ist das wahr?«, fragte er nachdrücklich.
    »Als Baby, ja«, antwortete ich. »Drei Mal. Wie du auf dem Dach­boden gelegen hast. Und wie deine Schwester dich mit der Stuten­milch getränkt hat. Es war Winter, eine einsame Landschaft. In einer anderen Zeit.«
    »Schottland«, sagte er sehnsüchtig. »Du warst tatsächlich da.«
    Wir schwiegen. Mir kam mein anderer Traum wieder in den Sinn - diese Begegnung auf unserem Rasen, nachts, und seine Hände, die sich schmerzhaft in meinen Rücken gegraben hatten. Vor allem aber seine Umarmung, in der ich mich gleichzeitig ver­loren und gefunden hatte. Sollte ich ihn danach fragen? Oder wür­de er mich auslachen? Vielleicht war es ja wirklich nur ein dum­mer, verliebter Mädchentraum gewesen, garniert mit etwas Horror. Nein, ich würde ihn nicht fragen. Ich wollte nicht alles

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