Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
Vom Netzwerk:
duftenden Klamotten und legte mich nackt ins Bett. Augen­blicklich war ich eingeschlafen.
    Doch irgendwann in dieser sternklaren Nacht, irgendwann zwi­schen der Dunkelheit und dem Morgengrauen, vernahm ich einen Atemhauch an meiner Wange, kühl und köstlich. Eine Hand strich über meine Stirn.
    »Gute Nacht, Waldhexe.« Jetzt schlief ich wirklich.

Übervater

    Noch bevor ich fähig war, meine Augen zu öffnen, spürte ich, dass etwas auf meiner Brust lastete. Siedend heiße Wellen des blanken Horrors schossen durch meinen Bauch. Jetzt war es also geschehen. Ich wurde angefallen. Das war das Ende meines bisherigen Lebens und weiß Gott, viel Grandioses war darin nicht passiert. Vielleicht war es sogar mein Tod.
    Dann begann mein Gehirn zu arbeiten. Nein, es tat nichts weh. Keine Klauen im Nacken. Auch war ich von keinem Sehnen erfüllt, alles zu geben. Ich hatte lediglich entsetzlichen Hunger. Überdies wäre es ein erbärmlich leichtgewichtiger Mahr gewesen, der da auf meiner Brust saß und versuchte, Träume aufzusaugen. Und ich war mir ziemlich sicher, dass Mahre weder schnurrten noch nach Fisch stanken.
    Ich überredete mich dazu, meine schlaftrunkenen Lider zu heben, und blickte direkt in Mister X’ halb geschlossene, verzückte Augen.
    »Mrau«, machte er selbstgefällig.
    »Also, das geht nun wirklich nicht«, sagte ich mit unglaubwürdi­ger Strenge in meiner heiseren Morgenstimme. Ich versuchte, ihn wegzuschieben - eine Aktion, die dieser aufdringliche Kater nur mit einem weiteren »Mrau« kommentierte und dazu nutzte, sich noch fester auf mir einzurollen.
    Das Brummen und Klingeln meines Handys setzte dem unfrei­willigen Schmusekurs ein vorzeitiges Ende. Mister X und ich er- schraken gleichzeitig und stoben synchron aus dem Bett, er zur lin­ken Seite und sehr elegant, ich zur rechten und eher unbeholfen.
    Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wie spät es war, und musste einen Moment lang überlegen, um mich erinnern zu können, welchen Wochentag wir hatten und in welcher Welt ich mich befand.
    Das Handy vibrierte und schrillte penetrant weiter. Ich schlurfte zum Fenster, um es mir vom Sims zu angeln und mich auf meinen Schreibtischstuhl fallen zu lassen. Mister X besaß die Frechheit, sich in der Zwischenzeit unter meiner Bettdecke zu einer Fellkugel zusammenzurollen.
    Das gleißende Sonnenlicht strahlte mich schonungslos an und machte es mir unmöglich, auch nur irgendetwas auf meinem Display zu erkennen. Etwa ein Kontrollanruf meiner Eltern?
    Colin, schoss es mir freudig durch den Bauch, als ich an meine Eltern dachte. Ich war bei Colin gewesen. Ich hatte es wirklich getan. Und er hatte mich nicht weggeschickt. Gut, nicht sofort. Aber meine Aufenthaltsdauer von gestern Abend war der bisherige Rekord, auch wenn ich nicht wusste, wie man das bezeichnen sollte, was zwischen uns entstand.
    »Hallo?«, meldete ich mich blinzelnd.
    »Ibiza!«, schallte es mir entgegen - nicht minder freudig als meine Morgengedanken an den ersten und einzigen Vollblutmahr in mei­nem schnöden Dasein.
    »Hä?«, gab ich tumb zurück.
    »Ich bin’s!«
    »Wer ist denn >ich    »Jenny! Sag mal, was ist denn mit dir los?«
    Jenny. Die hatte ich ja total vergessen.
    »Oh, hallo, Jenny«, sagte ich und es gelang mir nur wenig zufrie­denstellend, etwas spontane Begeisterung zu vermitteln. Ich klang fürchterlich verpennt. Und so fühlte ich mich auch. Aber es ging mir gut dabei.
    »Jaa, wie gesagt«, rief Jenny viel zu laut und ich hielt das Handy ein Stück von meinem Ohr weg. »Ibiza, es klappt!«
    Verdammt, ich hatte wieder viel zu wenig gefragt heute Nacht. Viel zu wenig! Ich zog ein Blatt Papier aus meinem Drucker und suchte nach einem funktionierenden Kugelschreiber.
    »Warum hast du Papa nicht früher bemerkt?«, notierte ich.
    »Lassie? Bist du noch da? Hallo?«
    »Ja, ich bin noch da«, erwiderte ich geduldig.
    »Warum hast du mich aus dem Gewitter gerettet?«, schrieb ich wei­ter.
    »Dann sag doch mal was! Du sagst ja gar nichts dazu!«
    »Zu was denn?«, fragte ich zerstreut.
    »Oh Mann! Wir wollten doch nach Ibiza fahren in den Sommerferien, weißt du nicht mehr? Und nun haben wir ein billiges Hotel und einen billigen Flug gefunden, du musst nur Zusagen, und dann - Party!«, jubelte Jenny.
    Das stimmte. Ich erinnerte mich verschwommen. Wir wollten zu­sammen ans Meer fahren. Ich hatte an einsame Buchten und lau­schige Restaurants

Weitere Kostenlose Bücher