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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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er damit fertig, wenn wir auf dem Fest ankamen. Papa konnte vieles, aber Singen gehörte nicht dazu. Ich hatte als Baby immer angefangen zu schreien, wenn er mir ein Gutenachtlied vor­sang. Auch jetzt hatte ich große Lust dazu.
    Im Gänsemarsch liefen wir hinunter zum Bach. Zwischendurch klingelte Papas Handy und er raunte ein paar kurze Sätze in den
    Hörer, die überaus wichtig klangen. Nachdem er aufgelegt hatte, summte er noch lauter und beflügelte seine Schritte. Mama und ich kamen kaum hinterher. Unten am Wirtshaus blieb er stehen.
    »Was ist?«, fragte ich mürrisch. Ich wäre beinahe gegen Papas Rü­cken geprallt, weil ich nur auf den Boden geschaut hatte. Statt einer Antwort drehte er sich um und band mir ein Tuch vor die Augen.
    »Papa ...«, stöhnte ich. »Was soll das Ganze? Und hör endlich auf zu singen!«
    Er wechselte nahtlos zum Pfeifen über. »Hooray and up she rises, hooray and up she rises ...« Zusammen mit Mama schob er mich über die Straße.
    »Überraschung«, riefen mehrere Stimmen im Chor und das Tuch wurde von meinen Augen gerissen. Vor mir standen Nicole und Jenny, bepackt mit zwei dicken Rucksäcken und in den Händen je einen Trolley. Nicole in Pink, Jenny in Lila. Ihr Lächeln entgleiste, als sie mich genauer betrachteten. So hatten sie mich nicht mehr gesehen, seitdem ich meiner Außenseiterposition entronnen war. Und wahrscheinlich war es schlimmer, wenn eine 17-Jährige sich gehen ließ, als wenn es eine 13-Jährige tat. Sie rangen beide um Fas­sung. Doch es dauerte nicht lange, da strahlten sie wieder beseelt vor sich hin.
    »Was macht ihr denn hier?«, fragte ich matt.
    »Wir übernachten bei dir«, rief Nicole, die wieder einmal perfekt gekleidet und geschminkt war. Alles passte zusammen, selbst der Nagellack zum Kofferbändchen.
    »Und dann fliegen wir zusammen nach Ibiza. Morgen früh!«, er­gänzte Jenny.
    »Es ist alles arrangiert«, sagte Mama stolz. »Das Taxi zum Flughafen holt euch um sieben ab, du musst nur noch deine Koffer packen. Ich habe dir schon deine Sommersachen gerichtet.«
    Deshalb also die ständige Telefoniererei und die  Kosmetikpröbchen. Aber warum der Putzfimmel und diese grausam gute Laune? Waren meine Eltern so froh, mich endlich mal aus den Augen zu haben?
    »Ähm - und warum bringt ihr uns nicht zum Flughafen?«, fragte ich Mama und bemühte mich um ein Lächeln.
    »Weil wir in die andere Richtung fahren. Nach Italien. Ebenfalls für eine Woche«, verkündete Papa. Okay. Jetzt war mir alles klar. Da hatte er ja sieben Fliegen mit zwei Klappen geschlagen. Die Tochter wird auf die Balearen verschickt, damit sie wieder zur Vernunft kommt, und währenddessen machen die Eltern einen Liebesurlaub. Und danach ist alles wieder in Butter.
    »Super!«, log ich und grinste schwach. »Ich bin total platt.« Das stimmte immerhin.
    »Kommt, wir bringen euer Gepäck hoch!«, sagte Papa und nahm Nicole und Jenny die Trolleys und Rucksäcke aus den Händen. Ni­cole lächelte ihn mit großen Augen an.
    »Und ihr drei geht runter zur Festwiese«, strahlte Mama und schob mich nach vorne. Ich trödelte meinen ununterbrochen quas­selnden Freundinnen über die kleine Brücke und durch das kurze Waldstück hinterher und sagte ab und zu mechanisch »Ja« und »Toll« und »Prima«.
    Das »Fest« bestand aus einer Frittenbude, einem kleinen Holzhäuschen, in dem ein dicker Mann Musik auflegte, einem Bierwa­gen und kreuz und quer aufgestellten Bänken. Auf einem Schwenk­grill verkohlten Steaks und Würstchen. Zwischen den Bäumen hingen Lampions und Lichterketten und auf dem Sportplatz balgte sich eine Horde Kinder um einen Fußball. Es war deprimierend, über irgendwie genoss ich die Situation. Unter anderen Umständen hätte ich mich über Nicoles und Jennys Starren sogar prächtig amü­sieren können.
    Noch ehe sie begriffen hatten, dass das tatsächlich alles war,  tru­delten meine Eltern auch schon wieder ein. Händchen haltend. Ich ließ mich dazu überreden, auf einer der Bierbänke Platz zu nehmen. Angestrengt versuchte ich, den Geschichten aus der Schule, nächt­licher Unternehmungen und von unseren gemeinsamen Kölner Freunden zu folgen, die Nicole und Jenny erzählten, und gleichzei­tig Ordnung in meine jagenden Gedanken zu bringen.
    Ich wollte nicht nach Ibiza. Ich hatte es schon nicht gewollt, als die beiden mich angerufen hatten. Nun waren sie hier, in bester Reise­fieberstimmung, und ich wollte immer noch nicht nach Ibiza. Ja, es war nur eine

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