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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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niemand ein Wort. Sogar die Musik stockte. Schwitzend machte sich der di­cke DJ an der Anlage zu schaffen. Dann begannen die Menschen wie auf ein stilles Kommando wieder miteinander zu sprechen, ge­dämpfter als zuvor, doch das Raunen der Stimmen war von Furcht und Argwohn genährt. Warum lachten die Menschen dann trotzdem, als wäre nichts geschehen?
    Colin band Louis locker an einem Baum fest und ging ohne einen einzigen Blick in unsere Richtung auf die Bar zu. Die Kinder auf dem Bolzplatz stritten sich nun lautstark um den Ball und rissen sich dabei aggressiv an den Kleidern. Zwei Frauen liefen auf sie zu und versuchten, sie zu beruhigen. Doch ein kleiner, dünner Junge geriet völlig außer sich und warf sich schreiend auf den Boden. Er­bittert klammerte er sich an dem Ball fest.
    »Wer ist das denn?«, fragte Nicole fassungslos und glotzte Colin ungeniert an. »Der sieht ja seltsam aus. Guck dir mal die Klamotten an. Und dann das Gesicht.« Du hast ihn noch nicht im Mondschein gesehen, dachte ich. Du würdest vor Neid im Erdreich versinken, wenn du wüsstest, wie unfassbar schön er dann ist.
    Wenn sie nun aber wie Maike behauptete, er sei hässlich, würde ich ihre überschminkte Schnute in die Reste meiner Currywurst drücken.
    »Kennst du den, Lassie?«
    »Ellie«, entgegnete ich scharf. »Ich heiße Ellie. Kein Lassie mehr.«
    »Okay«, sagte Nicole verwundert, die Augen immer noch auf Co­lin gerichtet, der alleine an der Theke lehnte. Krümel ihrer Wim­perntusche klebten wie Fliegendreck auf ihrer bepuderten Wange und ihr Parfüm nahm mir den Atem. Papa hatte sich in der Gewalt, doch ich sah, wie schwer es ihm fiel, mich nicht zu packen und von hier wegzuzerren. Auch ich musste mich beherrschen. Der Wunsch, aufzustehen und zu Colin hinüberzugehen, wühlte mich so auf, dass mir fast schwindlig wurde.
    Und dann tat ich es einfach. Was sollte Papa auch dagegen ma­chen? Mir hinterherlaufen und mich fortschleifen? Niemand würde ihn verstehen. Und er konnte ja schlecht sagen: »Liebe Leute, das ist ein Nachtmahr und mit dem soll meine Tochter keinen Umgang pflegen.« Außerdem würden sich morgen unsere Wege für eine Wo­che trennen, er würde seinen Urlaub haben und ich meinen. Kein Grund, jetzt noch einmal das Kriegsbeil auszugraben.
    Trotzdem spürte ich, dass er innerlich zugrunde ging, als ich auf Colin zusteuerte. Doch bevor ich die Bierbar erreichte, wandte Co­lin sich ab, bewegte sich ein paar Schritte weiter und mir blieb nichts anderes übrig, als mich neben Tillmann zu stellen. Meine Wangen brannten vor Wut. Er hatte mich auflaufen lassen.
    »Was sind das denn für zwei Tusen?«, fragte Tillmann. Er sagte Tusen, nicht Tussen. Das klang noch schlimmer und abschätziger, sodass ich trotz meines Ärgers grinsen musste.
    »Meine besten Freundinnen aus Köln. Also, es waren meine bes­ten Freundinnen.«
    »Ich steh ja auf lange Beine. Aber das - nee, das geht gar nicht.« Zu meiner Genugtuung meinte er Nicole, die sich in eine hautenge Röh­renjeans und hochhackige Stiefeletten gequetscht hatte. Tillmann hatte recht. Sie war nicht schlank genug dafür. Ihr Bauch wabbelte.
    »Hier«, sagte Tillmann und schob mir ein halb gefülltes Schnaps­glas zu. Ich fand Schnaps noch unappetitlicher als Bier. Und er hatte aller Wahrscheinlichkeit nach auch weitaus gravierendere Auswir­kungen. Aber die neugierigen Blicke von Nicole, Jenny und meinen Eltern ermutigten mich dazu, das Glas anzuheben und einen gro­ßen Schluck meine Kehle hinunterzukippen. Er brannte wie Feuer und ich kämpfte prustend gegen den Hustenreiz an. Bereits nach wenigen Sekunden bekam meine Welt weichere Konturen.
    »Du bist knallrot im Gesicht«, stellte Tillmann nüchtern fest.
    »Ich hasse das Zeug«, knurrte ich.
    »Na dann«, meinte er cool. »Noch einen?«
    »Danke, nein«, lehnte ich höflich ab. Tillmann zuckte nur mit den Schultern. Colin drehte mir nach wie vor den Rücken zu.
    Tillmann und ich verbrachten mindestens eine geschlagene Stun­de schweigend an der Bar, während ich Nicole und Jenny dabei zu­sah, wie sie meinen Papa beflirteten und über mich redeten. Hätte ich mir ein wenig mehr Mühe gegeben, hätte ich die Worte sogar von ihren Lippen ablesen können. Gegen elf Uhr brachen meine Eltern auf. Nicole und Jenny blieben auf der Bank sitzen und beäugten abwechselnd Colin, Benni und mich.
    »Ich geh dann mal. Ciao, Ellie«, sagte Tillmann und verschwand.
    »Danke fürs Gespräch«, murmelte ich. Ich gab mir einen

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