Splitterherz
Vertrauen zu ihm fasste. Daran, dass ich mit ihm reden konnte. Dass er mir zuhören würde. Ich klammerte mich an diese Gedanken.
Und weil es nur diese Gedanken waren, die mich schützten, hatte ich nichts dabei außer meinem Labello und den verfluchten Tarotkarten. Bei der passenden Gelegenheit wollte ich Colin mit ihnen konfrontieren.
Das Dorf döste still in der Sommerwärme, als ich mich auf den Weg machte. Ich war ausgeruht. Ich hatte lange geschlafen und danach vergeblich auf Mister X gewartet. Dass er nicht mehr aufgetaucht war, wurmte mich, denn ich hielt Mister X inzwischen für eine Art kätzischen Seelenbotschafter von Colin. Und wenn Mister X nicht kam, dann lag zwischen Colin und mir etwas im Argen. Es konnte gar nicht anders sein. Also durfte ich keine Zeit vertrödeln. Ich beschleunigte meine Schritte, sobald ich den Wald erreicht halte.
Die Sonne brach durch die wogenden Baumwipfel und betupfte den weichen, lehmigen Boden mit gleißenden Lichtreflexen. Überall um mich herum flüsterte der Wind. Die Luft strömte fast wie Wasser über meine Haut.
Je näher ich Colins Anwesen kam, desto stärker wurde die Unruhe in meinem Herzen. Wenn ich an ihn dachte, gab es einen Ruck im Magen und ich konnte kurz nicht richtig atmen. Als ich den kiesbestreuten Zuweg aus dem Dunkelgrün des Waldes aufblitzen sah, begann auch noch mein Gesicht zu kribbeln und mir wurde vor
Übelkeit so schwindlig, dass ich mich hinsetzen musste. Noch ein letztes Mal legte ich mir im Geiste meine Entschuldigung zurecht. Colin, es tut mir leid, dass wir dich beobachtet haben. Ich wusste nicht, dass er mir das zeigen wollte. Ich hatte keine Ahnung. Ich hab ihn einfach nur begleitet.
Oje. Das klang so lahm. Zu lahm für einen klammheimlich beobachteten Traumraub. Aber es war so gewesen. Ich stand auf und hallte meine Fäuste. Jetzt, sagte ich mir. Finde die Wahrheit heraus. Wieder schlüpfte ich aus meinen Schuhen, um barfuß über den Hof zu laufen. Ich verzichtete darauf, ein »Hallo« oder Ähnliches zu rufen, als ich vor dem Haus stand. Wenn Colin da war, hatte er mich längst bemerkt. Die Haustür war nur angelehnt. Ich schob sie ein Stückchen weiter auf und streckte meinen Kopf durch den Spalt. Küche und Wohnzimmer lagen still vor mir. Ich warf einen Kontrollblick an die Decke und war beinahe enttäuscht, als ich feststellte, dass Colin auch nicht rücklings meditierte. Es war eine ganz normale weiß verputzte Zimmerdecke, unterbrochen nur von dunklen Holzbalken.
Nein. Hier war niemand. Auf leisen Sohlen betrat ich das Haus und steuerte die Treppe an. Die Badezimmertür stand ebenfalls offen und beglückte mich bereits auf halber Treppe mit einem Einblick in Colins perfekt ausgestatteten Hygienetempel. Wenn mich meine Nase nicht täuschte, hatte sich hier vor nicht allzu langer Zeit warmes Wasser mit Seife vermischt. Ich nahm die letzten Stufen ins Obergeschoss und schaute mich um. Zwei Türen gab es außer dem Badezimmer, eine rechts, eine links. Sie waren beide verschlossen. Selbst wenn ich rufen wollte - ich hätte keine Stimme gehabt. Ich war so aufgewühlt, dass ich sogar das Atmen vergaß und immer wieder instinktiv die Luft anhielt, bis kleine schwarze Pünktchen vor meinen Augen wirbelten.
Ich wählte die linke Tür. Die Klinke schmiegte sich beruhigend kühl unter meine heiße, verschwitzte Hand. Ich ließ noch einmal los und wischte mir die Handflächen gründlich an meiner Jeans ab, bis sie trocken waren. Dann drückte ich die Klinke zögerlich hinunter. Zu meiner Erleichterung quietschte sie nicht. Die Tür glitt lautlos auf.
Vor mir lag ein großer Raum mit schweren, urigen Holzdielen und einem bodentiefen Fenster. Es war geöffnet. Ein warmer, harziger Luftzug streichelte mein Gesicht. Neben dem Fenster stand ein breites Bett, bedeckt von einem dunkelroten samtigen Überwurf, dessen Fransen den Boden berührten. Vier Katzen - ich zählte nach, ja, es waren vier - hatten sich adrett um Colins Körper drapiert. Mister X hing träge an seinem Bauch und quetschte seinen dicken Kopf in Colins Achselhöhle. An seiner rechten Schulter rollte sich das grau-weiße Kätzchen zu einer Kugel zusammen. Am Fußende schliefen eine rot getigerte und eine grau getigerte Katze. Die rote hatte sich auf den Rücken gedreht und sah reichlich besoffen aus.
Es war ein Bild hingerissener Entspannung und schläfriger Glückseligkeit. Meine Angst fiel wie tonnenschwerer Ballast von mir ab. Denn auch Colin
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