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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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breite Lederarmband blieb an seinem Handgelenk. Der Hufabdruck unter seinem Bauchnabel schimmerte rötlich im Halbdämmer des Badezimmers. Ich wusste, dass dies kein Auftakt für eine lange, zufriedene Beziehung war. Colin würde hart bleiben. Ich hatte in seinem Dasein nichts verloren. Aber auf diese eine Nacht kam es nicht mein an. Tessa war unterwegs, ob wir nun zusammenblieben oder nicht. In diesen Stunden konnte sie uns nichts tun.
    Ich lehnte mit meinem Rücken an seiner Brust, Kühle und Hitze zugleich, und sah den Seifenblasen zu, die aus dem Wasser  gen, wenn wir uns bewegten. Mister X saß auf dem Badewannen­rand und beäugte uns missgünstig.
    Ich wollte nichts mehr denken. Weder an die Schule noch an die blöde Spinne in meinem Zimmer noch an meinen Vater. Vor allem nicht an Tessa.
    Wir redeten nicht mehr. Irgendwann verließen wir unser warmes, nasses Nest und legten uns zusammen auf Colins Bett. Ich hätte gerne geweint, doch die Tränen machten mir nur das Atmen schwer, ohne sich aus meinen Augen zu lösen. Träume hatte ich keine mehr. Ineinander verschlungen, sodass ich nicht mehr sagen konnte, wo mein Körper endete und seiner begann, schlummerten wir einem kalten, nebligen Tag entgegen.
     

    Heimsuchung
     
    Ich empfand es als unwirklich, geradezu absurd, dass Colin am nächsten, schweigsamen Morgen darauf bestand, mich zur Schule zu fahren. Ja, es gab noch eine Schule. Hausaufgaben und Referate. Und Klausuren. Einen Moment lang war ich versucht, alles hin zuschmeißen. Mich einfach zu verweigern. Aber dann hatten wir bereits den Feldweg erreicht und ich musste mich meinen Eltern stellen, die heute früh ein leeres Zimmer vorgefunden hatten. Für mich war es inzwischen fast schon Normalität, mich nachts aus dem Haus zu stehlen und erst morgens heimzukehren, doch für meine Eltern war es neu. Und mit Sicherheit kein Vergnügen.
    Kleinlaut begrüßte ich Mama, die alleine und mit verquollenen Augen im Wintergarten saß, vor sich eine volle Tasse Kaffee, an der sie offenbar nicht einmal genippt hatte.
    »Womit hab ich das eigentlich verdient?«, fuhr sie auf und blickte mich so vorwurfsvoll an, dass ich kurz meinen Kummer um Colin vergaß. »Bin ich auf die Welt gekommen, um mir mein Leben lang Sorgen zu machen? Sorgen um meinen Mann, Sorgen um Paul und nun auch Sorgen um dich. Ich kann das nicht mehr. Und ich will nicht mehr!«
    »Ich hol nur schnell meine Schulsachen«, sagte ich entschuldigend und rannte nach oben. Ich war nicht in der Stimmung für Grundsatzdiskussionen. Wenn Colin bei seiner Entscheidung blieb, würde ich in Zukunft noch unendlich viel Zeit haben, um mit meinen 

    Eltern zu streiten. Aber jetzt wollte ich keine Sekunde mit ihm ver­säumen.
    In meinem Zimmer schaute ich noch rasch nach der Spinne. Sie saß wie gestern in der Ecke unter der Wurzel und bewegte nur ab und zu tastend ihre Fangarme. Sie wartete. Und sie musste noch ein wenig durchhalten, bis ich von meinem Biologielehrer mit neuen Opfern versorgt worden war.
    Das Flüsschen lag unter einer schweren Nebeldecke verborgen, als wir an ihm vorbei nach Rieddorf fuhren. Wir schwiegen, doch Co­lin legte seine rechte Hand auf mein Bein und ließ sie dort ruhen, während er einarmig und gewohnt lässig den Wagen lenkte. Wenn doch nur ein Unfall passieren würde. Nichts Schlimmes - aber so schlimm, dass wir anhalten müssten und die Schule nicht erreich­ten. Aber wir mussten nicht einmal an einer Kreuzung stoppen. Ich nahm Colins Hand und drückte sie an meine Wange, bettete mein Gesicht hinein. Doch nicht einmal die Kühle seiner Haut konnte meine rasenden Gedanken zur Ruhe bringen.
    Wir waren da. Er stellte den Motor ab und sah an mir vorbei. Ich wollte nicht aussteigen. Es klingelte bereits und die meisten Schüler waren schon im Gebäude. Die Zeit drängte. Das konnte doch jetzt nicht unser Abschied für immer sein. In einem Auto. Vor meiner Schule. Es war irgendwie erbärmlich.
    Colin griff über mich hinüber zur Tür und stieß sie auf. Das musste er wohl tun, denn ich hätte sie niemals geöffnet. Kalte, leuchte Morgenluft wehte herein. Am Horizont brauten sich schon die nächsten Regenwolken zusammen.
    Colin wandte sich von mir ab. Ich blieb sitzen.
    »Es gab vorher ein Leben ohne mich und es wird auch danach eins ohne mich geben. Ein paar Wochen und es ist alles so, als hätten wir uns nie getroffen«, sagte er.
    »Red keinen Bullshit, Colin. Ich hasse das. Okay?«, entgegnete ich scharf. »Ich bin nicht

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