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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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trieb er keine Scherze.
    Nein. Colin las mir die Antwort von den Augen ab und schüttelte den Kopf. Doch er brachte mich auf einen anderen Gedanken. Ein ungeheuerlicher Verdacht schoss durch meinen Kopf.
    »Hat er dich verraten? Hat er ihr etwa gesagt, wo du bist? Hat mein Vater sie herbeigelockt? Wenn ja, dann schwöre ich bei Gott, dass ich morgen meine Koffer packe und ihn nie wiedersehe ...«
    »Nein. Ellie.« Colins Tonfall ließ mich zusammenzucken. Seine Worte klangen so endgültig, so schwer. »Du warst es. Sie kommt deinetwegen.«
    »Was - ich? Aber ich - ich habe doch gar nichts getan.«
    Colin lächelte bitter. »Du hast etwas mit mir getan. Verstehst du, Ellie - ich war glücklich. Ich ...« Er rang nach den passenden Wor­ten. Dann sah er mich fest an, ohne jegliche Hoffnung, aber es war etwas Weiches, Sehnsüchtiges in seinem Blick.
    »Sie wittert es. Sie wittert, wenn ich glücklich bin. Wenn ich Freundschaften schließe und mich verliebe. Dann kann sie mich orten. Ich darf keine Zeit mit Menschen verbringen, die ich mag. Denn das lockt sie an.«
    Er schritt langsam auf mich zu und zog mich vom kalten Boden zu sich hoch. Eindringlich sah er mich an.
    »Ich habe einen Fehler gemacht. Ich hatte sie vergessen. Ich habe sie für einige Momente vergessen, an diesem Abend, diesem ver­dammt heißen Tag - Gott, Ellie, du hast mich verrückt gemacht. Du hast meinen Kopf besetzt. Ich fühlte dich unter meiner Haut.« Er strich mir mit dem Handrücken über die Wange. Schauer rieselten über meinen Rücken. »Als ich es gemerkt habe, dachte ich, wenn ich dich rechtzeitig vertreibe und dich dazu bringe, mich zu hassen, verirrt sie sich vielleicht. Ellie, meine heftige Reaktion galt den acht Stunden. Nicht dir. Wir dürfen keine Zeit miteinander verbringen. Du darfst nicht mehr herkommen, mich nicht Wiedersehen. Es gibt keine andere Wahl.«
    Wie betäubt hing ich in seinem Arm, innerlich zerschunden vor Eifersucht und schlechtem Gewissen. Colin musste mich festhalten. Ich konnte immer noch nicht stehen.
    »Hast du mich deshalb immer wieder fortgeschickt?«
    »Nicht nur das ...« Sein Mund war so dicht an meinem Ohr, dass sein Atem meinen Pulsschlag kühlte, und ich sog jedes Wort in mich auf. »Zuerst die Müdigkeit, die Ohnmacht am Kneippbecken, die Spinnen, die Krankheit, damit du gar nicht erst erfährst, wer ich bin, und mich am besten für verrückt hältst. Als das mit deinem Vater dazwischenkam und du nicht aufgegeben hast, dachte ich, ich gestehe dir ganz offen, was ich bin, damit du Angst bekommst und gehst. Aber du sagtest nur, dass du mir vertraust. Also habe ich dich gebeten, es deinem Vater zu erzählen, damit er dich zur Vernunft bringt. Mein Gott, ich habe sogar Louis vom Stall weggeholt, weil ich dachte, dass du mein Haus nicht mehr freiwillig aufsuchen wür­dest nach deiner Begegnung mit den Keilern.« Ich atmete schluch­zend durch, doch Colin hielt mich eng bei sich.
    »Ich habe dich bei mir gelassen, wenn es dir schlecht ging, habe dir meinen Hunger gezeigt, damit du dich fürchtest, habe dich pro­voziert, damit du beleidigt bist. Weil all das kein Glück ist. Und ich habe dich fortgeschickt, wenn es begann, schön zu werden - aber irgendwann war es zu spät und ich wollte, dass du kommst und bleibst. Als du gesagt hast, dass du mich liebst...«
    Er legte meine Arme fest um mich, bis ich jede Einzelheit seines Körpers auf meinem spüren konnte.
    »Ich wusste, dass du keine Schläge akzeptieren würdest. Ich muss­te es blitzschnell entscheiden, um uns zu retten. Es war mein letzter Versuch und er hat etwas in mir vernichtet... Ellie, ich fürchte, dass sie sich rächen wird. Du bist ihre Rivalin und du hast längst ge­siegt.«
    Colins Griff lockerte sich, sodass ich ihn anschauen konnte.
    »Wann wird sie kommen? Heute?«, fragte ich tonlos.
    Colin fegte ein paar Schallplatten vom Sofa, setzte sich und zog mich auf seinen Schoß. Zitternd lehnte ich mich an ihn. Endlich sprachen wir wieder miteinander. Endlich kein Krieg mehr.
    »Das glaube ich kaum«, sagte er abfällig. »Tessa ist eine von den Alten. Sie wird sich nicht in einen Flieger setzen. Ich glaube nicht einmal, dass sie den Zug nimmt. Wahrscheinlich geht sie sogar zu Fuß. Und von Neapel bis hierher - na, da ist auch eine Mahrin drei, vier Wochen unterwegs. Je nachdem, wie gut sie sich unterwegs ernähren kann.«
    Zu Fuß! Zu Fuß über die Alpen. Ich konnte es nicht fassen.
    »Was hat sie vor?« Ich schob sein Hemd zur Seite,

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