Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
Vom Netzwerk:
Kleidern fast nichts mehr zu sehen war. Den Topf mit der Erde hielt ich kurz in den Regen, um sie zu be­feuchten, vermischte die schwarzen Krümel mit einem Großteil der aufgesparten Blüten und schmierte sie mir ins Gesicht und auf den Hals. Zum Schluss nahm ich meine Wasserflasche, vermischte den Inhalt mit Blütenmatsch und Erde und nahm testweise ein paar Schlucke. Es schmeckte abscheulich, doch sicher war sicher. »Dreck reinigt den Magen, oder?«, sagte ich entschlossen und trank sie leer. Tillmann sah mir entgeistert dabei zu, als habe ich schon lange mei­nen Verstand verloren.
    »Ellie«, sagte er schließlich unbehaglich.
    »Still!«, wies ich ihn zurecht und krabbelte zurück auf den Vor­dersitz. »Was immer jetzt auch passiert - du musst hier warten und darfst nicht an mich denken. Nicht an mich, nicht an ihn. Und auch nicht daran, was ich tun könnte. Vor allem nicht an sie. Versprich mir das! Es ist überlebenswichtig. Sie können Gedanken lesen. Zu­mindest manche von ihnen.«
    Tillmann schluckte und nickte. Ich holte die Bücher, den Discman und die CDs aus dem Rucksack.
    »Das ist alles, was ich an Indianerbüchern finden konnte.« Der letzte Mohikaner, ein paar Bildbände, ein Sachbuch und die Lebens­weisheiten eines Medizinmannes. »Und hier hast du Musik.« Ich reichte ihm die CDs und den Discman. »Konzentriere dich nur auf die Bücher und die Musik. Und schlaf auf keinen Fall ein, hörst du?«
    »Kann ich nicht mitkommen?«, fragte er mit brennendem Blick.
    »Nein. Ich brauche dich hier. Du würdest sie sofort anlocken. Das ist zu riskant für uns alle.« Ich senkte meine Stimme. »Eigentlich habe ich jetzt schon viel zu viel darüber geredet.«
    »Aber was mache ich, wenn du nicht wiederkommst?«
    Wenn ich nicht wiederkam ... Der süße Geruch der Orchideen ließ die Übelkeit in Wellen durch meinen Magen branden. Ich grub die Fingernägel in meine Handflächen und atmete flach in den Bauch.
    »Ich komme wieder. Und wenn doch nicht, dann geh zu meinen Eltern und erzähle ihnen alles, was du weißt.« Eines musste ich ihm trotzdem noch sagen. Es konnte schließlich passieren. »Sollte ich aber irgendwie seltsam wirken - mit anderen Augen, anderen Bewe­gungen, kraftvoller -, dann sieh zu, dass du Land gewinnst, okay? Kommen wir zu dritt, hau ebenfalls ab. Wenn die beiden ohne mich hier auftauchen, musst du erst recht verschwinden. Und wenn sie alleine kommt, so wie gestern - fahr, so schnell du kannst. Tillmann, versprich mir das. Ich weiß, dass es geht, man kann sie abhängen. Mit diesem Auto erst recht. Meinem Vater ist es gelungen. Aber ich komme wieder.«
    Ich reichte ihm das Glas mit der Spinne. Gerne hätte ich es als Radar mitgenommen, doch ich brauchte die Witwe, damit Tillmann mich zurückholen konnte.
    »Wenn diese Spinne sich plötzlich nicht mehr rührt - und zwar länger als nur ein paar Sekunden -, dann denk an mich und an ihn, so fest du kannst. Aber nur dann! Sonst nicht. Du musst sie provozieren, um dir sicher zu sein. Kannst du das?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich muss wohl«, sagte er mit un­überhörbarer Abscheu. »Und wo gehst du jetzt hin?«
    Ich blickte hinaus in den strömenden Regen. Die Schwärze der Nacht hatte sich gemildert und ich konnte einige Meter weit sehen. Trotzdem hatte ich keine Ahnung, was mich da draußen erwartete. Sie waren nicht weit, das hatte mir das Verhalten der Spinne gezeigt. Doch würde ich sie auch finden?
    »Ich hole ihn zurück«, sagte ich und erschrak vor meiner eigenen Stimme. Sie klang kalt und unbarmherzig. Ich schaute Tillmann an. Er entgegnete meinem Blick angespannt, aber ruhig. »Ciao«,  flüsterte ich und schob mich aus dem Auto. Schon nach wenigen Me­tern hatte der Regen mich durchnässt. Ich schmeckte Erde auf der Zunge und öffnete den Mund. Süß benetzte das Regenwasser meine trockene Kehle.
    Wo bist du, Colin?, fragte ich in Gedanken und rief mir sein Ge­sicht vor Augen. Seine spitzen Ohren, die markante Nase, sein schräger kohlschwarzer Blick. Wo bist du?
    Ich blieb stehen. Vor mir glitzerte etwas auf dem Waldboden und in das Prasseln des Regens mischte sich jenes unverkennbare Ge­räusch, das Wassertropfen verursachen, die auf Metall fallen. Ich kniete mich nieder und zog eine Gürtelschnalle aus den durch­geweichten Tannennadeln. Colins Gürtelschnalle. Was hatte das zu bedeuten? Hatte Tessa sie ihm hier vom Leib gerissen? War sie eine ihrer Trophäen - oder hatte Colin ihr etwa eine Spur gelegt?
    Ich

Weitere Kostenlose Bücher