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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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ich leidend ein. Absagen konnte ich immer noch. Oder gar nicht erst hingehen. Aber ich wollte sie nicht vor den Kopf stoßen. Außerdem erschien mir ihr Angebot, mich bei Benni und damit auch bei Lola zu entlasten, nur allzu verlockend.
    Am nächsten Tag schickte unser Biolehrer uns in den Wald. Exkur­sion. Beim Bilden der Zweiergrüppchen blieb ich als Letzte übrig. Ich hatte es nicht anders erwartet. Herr Schütz erbarmte sich mei­ner, womit mein Status als eingebildete Streberin endgültig besiegelt war.
    Doch ich schätzte es, mich bei der Konversation auf das Nötigste beschränken zu dürfen: Fakten und allgemeine Höflichkeiten. Ich halte mich schon immer gut mit Erwachsenen unterhalten können. Fast besser als mit Gleichaltrigen.
    Allmählich entspannte ich mich, obwohl sich das Wetter wieder verschlechtert hatte und sich immer wieder dicke Wolken vor die blasse Sonne schoben. Sobald der Himmel sich verdunkelte, kam ein kühler, hartnäckiger Wind auf. Herr Schütz führte uns ruhig und zielsicher durch dunkelgrüne Wälder, in denen es nach Minze und feuchtem Laub roch, über Felder und schmale Pfade entlang an gurgelnden Bächen. Nach zwei Stunden taten mir so die Knochen weh, dass ich den Schulschluss herbeisehnte und froh war, mich in den Bus setzen zu können. Seit unserer Ankunft im Niemandsland jagte eine körperliche Herausforderung die nächste. Vor Aufregung hatte ich am Morgen mal wieder kaum etwas frühstücken können und jetzt wütete der Hunger wie ein wild gewordenes Tier in mei­nem leeren Magen.
    Es ist tatsächlich Wochenende, dachte ich müde. Ich hatte die erste
    Schulwoche hinter mich gebracht. Ich hatte eine Verabredung mit Maike für nächsten Freitag, die ich wahrscheinlich absagen würde - aber immerhin, ich hatte eine Verabredung. Und am Sonntag wür­den Jenny und Nicole zu Besuch kommen.
    Ich fühlte mich gebeutelt und erschöpft, aber es gab etwas, worauf ich mich freuen konnte. Und daran hielt ich mich fest.
    Den Samstag verbrachte ich mit Mama in verschiedenen Bau- und Gartenmärkten, die sie äußerst unzufrieden und missmutig vor sich hin meckernd verließ, weil sie nicht fand, wonach sie suchte. Trotz­dem war der Kofferraum des Kombis nach unserer Odyssee zum Bersten voll. Nachmittags versuchte ich, mit ihr die schwere, feuch­te Erde unter dem zähen Rasen umzugraben. Mir war schleierhaft, wie man so etwas freiwillig tun konnte. Es war viel zu warm, wir schwitzten und nach einer halben Stunde hatten wir beide Blasen an den Händen. Doch die Gartenarbeit machte mich hundemüde. Ein zweites Mal schlummerte ich abends schnell ein und schlief so fest, dass ich mich am nächsten Morgen an keinen nennenswerten Traum erinnern konnte.
    Hatte ich überhaupt geträumt? Ich träumte doch sonst immer. Ich saß eine halbe Stunde auf der Bettkante und durchwühlte mei­nen Kopf nach Traumfetzen, wenigstens nach einer schwammigen Erinnerung. Doch ich fand nichts außer den üblichen Verdächtigen: Träume, in denen ich stundenlang nach einer Toilette suchte und keine fand oder unzureichend gekleidet durch die Schule schlich.
    Ich musste mir eingestehen, dass ich enttäuscht war. Gut, die Kat­ze hatte das Baby gewärmt. Es war nicht völlig allein gewesen. Und trotzdem wäre ich gerne noch mal in diesen Traum zurückgekehrt. Für einen Moment fragte ich mich, ob das Baby überlebt hatte. »Oh, Frau Sturm, das war nur ein Traum. Ein Traum!«, wies ich mich laut zurecht.
    Obwohl ich schon wieder wohlig müde war, half ich Mama nach dem Frühstück dabei, einen Apfelkuchen zu backen (ein völlig neu­es Tätigkeitsfeld - bisher wusste ich nur, wie man die Mikrowelle anschaltete und im Backofen eine Pizza heiß machte), duschte mich, föhnte mir die Haare und stellte erschrocken fest, dass kaum mehr Zeit blieb, etwas Besonderes anzuziehen oder mich gar zu schmin­ken. Hastig tuschte ich mir die Wimpern, legte einen Hauch Lip­gloss auf und band mir die Haare im Nacken zusammen.
    Jenny und Nicole mussten jeden Moment hier sein - hörte ich nicht schon ein Auto heranfahren? Mit zwei Stufen pro Schritt stürzte ich wagemutig die Treppe hinunter und sauste nach draußen auf den Hof, wo gerade ein schicker Kleinwagen zum Stehen kam.
    »Mensch, du Arme, wohin hat es dich denn verschlagen?«, rief Nicole mitleidig, drückte mich so fest, dass mir fast die Luft weg­blieb, und krönte ihre Begrüßung mit zwei Luftküsschen.
    »Wir dachten schon, wir hätten uns verfahren und würden nie

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