Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
Vom Netzwerk:
dass er seine Frage eine Woche lang mit sich he­rumgeschleppt hatte, warf ein unglaubwürdiges Licht auf seine zur Schau gestellte Gelassenheit.
    »Ähm, das war wieder dieser Junge ... äh ... junge Mann aus dem Karateklub, ein Bekannter von Benni«, versuchte ich Papas Beiläu­figkeit nachzuahmen. Das Wort Junge passte zu Colin wie Bananen­eis auf gebratene Forelle.
    Papa raschelte mit der Zeitung. Ich konnte seine Gedanken durch seinen Kopf poltern hören. Aber bisher hatte er nie Grund gehabt, mir zu misstrauen. Ich hatte Jenny und Nicole gegenüber oft einen auf wild und ungezogen gemacht, aber das war fast immer heiße Luft gewesen. Meine Eltern konnten sich nicht beklagen. Trotzdem ließ Papa nun die Zeitung sinken und sah mich durchdringend an. Ihn schien tatsächlich etwas zu beunruhigen.
    »Ein junger Mann mit so einem teuren Auto? Wie alt ist er?« Oho. Mama hatte ihn mit Einzelheiten versorgt. Ich strafte sie mit einem weiteren Blick ab, den sie geflissentlich ignorierte.
    »Zwanzig«, sagte ich und wunderte mich, dass es mir wie eine Lüge vorkam. Aber er war zwanzig. Er hatte es mir selbst gesagt. Papa machte ein undefinierbares Geräusch. Das Gespräch war also noch nicht zu Ende. Ich fischte ein paar unliebsame Rosinen aus dem Müsli und drapierte sie auf meine Untertasse. Falls er fragen würde, ob ich mit Colin etwas am Laufen hatte, konnte ich guten Gewissens Nein sagen. Immerhin hatte der es stets eilig, mich wie­der loszuwerden.
    »Ich möchte ihm Guten Tag sagen, wenn er dich das nächste Mal nach Hause bringt«, sagte Papa mit undurchdringlicher Miene. Meinte er das ernst? Ich schaute ihn forschend an und er schaute nicht minder forschend zurück. »Ich möchte nur wissen, wer dich mit so einem Geschoss über die Landstraßen kutschiert. Das ist al­les, Elisa. Hier geschehen zwar selten Unfälle. Doch wenn, dann ge­hen sie meistens tödlich aus - und die Opfer sind Jugendliche.«
    Okay. Er machte sich Sorgen. Obwohl die Nachtfahrten mit Colin sich merkwürdig entrückt angefühlt hatten, war mir nie bange um mein persönliches Wohl gewesen. Er fuhr ruhig, sicher und zügig - so, als würde er bereits seit unzähligen Jahren Autos durch die Wäl­der lenken.
    »Gut, kein Problem«, willigte ich ein und Papa lächelte zufrieden. »Es wird aber wahrscheinlich nicht passieren. Er kann mich nicht leiden.«
    Jetzt verwandelte sich Papas Lächeln in ein Grinsen. Er glaubte mir nicht. Papa war schon immer der Meinung gewesen, ich sei das schönste Mädchen weit und breit. Eine Meinung, die ich gewiss nicht teilte, doch das interessierte ihn nicht. Offenbar konnte er sich auch nicht vorstellen, dass es junge Männer gab, die mir nicht in­nerhalb von Sekunden verfielen.
    Er stand auf, drückte mir einen versöhnlichen Kuss auf die Stirn und zog sich in sein Büro zurück. Mama verschwand wenig später im Nähzimmer und ich musste mich alleine mit der Frage herum­quälen, ob ich zur 80er-Jahre-Party in diese Landeierdisco ging oder nicht. Maike würde da sein, das war klar. Und sie rechnete mit mir. Auch Benni, der sich tatsächlich für gesicherte Mülltonnen stark ­gemacht und laut Maike die Party ins Leben gerufen hatte. Aber Maike meinte, Benni wäre überall zugange, wo etwas los sei. Schüt­zenverein (Schützenverein!), Fußballklub, Theater-AG, Freiwillige Feuerwehr. Und nebenbei würde er hie und da als Thekenkraft job­ben. Was man eben auf dem Dorf so treibt, wenn der Tag lang ist.
    Mein Problem war, dass ich nicht wusste, wie ich zu der Party er­scheinen sollte. Wenn Jenny, Nicole und ich in Köln ausgingen, hat­te es derartige Fragen nicht gegeben - es verstand sich von selbst, dass wir uns mindestens zwei Stunden vor dem eigentlichen Start ins Nachtleben bei einer von uns zum gemeinschaftlichen Aufstylen verabredeten. Das war langatmig, aber notwendig, denn unser Lieb­lingsclub hatte strenge Türsteher; wer nicht hip war, kam nicht rein, und oh ja, wir waren hip. Niemals wollten wir uns seinen gefürchte­ten »Das geht gar nicht«-Spruch anhören müssen. Ich wusste noch genau, was ich bei unserer letzten Clubnacht getragen hatte: Mini­rock, Leggings, meine Absatzstiefeletten und eines dieser viel zu far­bigen, ausgeschnittenen »Ich bin ja so sexy«-Oberteile; dazu dick Mascara und vor Gloss triefende Lippen. Es half. Ich hatte zwar den ganzen Abend einen höllisch kalten Hintern und um die Fesseln herum zog es eisig, doch mich begleitete das gute Gefühl

Weitere Kostenlose Bücher