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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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seiner Stimme verschwunden. Nach wenigen Minuten stiller Nachtfahrt waren wir da. Ein mulmiges Gefühl ergriff mich. Papa war ein im­ponierender Mensch und die wenigen Jungs, die ich ihm bisher vor­gestellt hatte, waren bei seinem Anblick in eine frühkindliche Phase zurückgefallen. Was wiederum in meinen Augen alles andere als be­gehrenswert gewesen war. Sie hatten schlichtweg Angst vor ihm ge­habt. Dabei hatte er sie nie schlecht behandelt oder verspottet. Er war sogar ausgenommen freundlich.
    Colin war nicht minder imponierend, wenn auch auf eine andere, jüngere Art und Weise - wie würde es bei ihm ausgehen? Würden die beiden sich verbrüdern und mich links liegen lassen? Oder wür­de Papa ihn hässlich finden wie Maike? Ihn nach seinem Führer­schein fragen? Keine dieser Vorstellungen behagte mir.
    Umständlich schob ich mich aus dem Wagen und huschte in den
    Hof, um zu schauen, ob Papa noch wach war. Natürlich war er das. Im Wintergarten brannte Licht und ich sah ihn am Tisch sitzen.
    Ich winkte Colin zur Haustür herüber. Als wir den Flur betraten, zog Colin hörbar Luft ein, als würde er etwas wittern. Kurz hielt er inne.
    »Alles in Ordnung?«, flüsterte ich.
    »Ja, alles klar«, raunte er, doch in seinen Augen las ich anderes. Er war misstrauisch, auch wenn er es zu verbergen versuchte. Aber ich hatte jetzt weder die Zeit noch die Nerven, mir darüber Gedanken zu machen. Entschlossen ging ich voraus in den Wintergarten, wo Papa bei Kerzenlicht über seinen Büchern brütete und sich Notizen machte.
    »Hallo, Papa, ich hab meinen Chauffeur mitgebracht - du woll­test ihn doch kennenlernen. Das ist Colin und er hat ...« Ich brach ab, weil Papas Gesicht erstarrte. Mit einem Ruck erhob er sich, straffte die Schultern und zog witternd die Luft ein - wie Colin ge­rade eben im Flur. Mich nahm er gar nicht mehr wahr.
    Verwirrt drehte ich mich zu Colin um, der Papa mit finsterem Blick taxierte. Seine Augen loderten und das unerklärliche Ahnen in seinem Gesicht verhärtete sich zu einem festen Verdacht. Was pas­sierte hier nur? Eine unsichtbare Kraft drückte mich rückwärts, sodass ich mich an die Wand presste und die beiden hilflos beobach­tete. Im Raum war ein Knistern zu hören, ähnlich dem Geräusch von brennenden Wunderkerzen, nur lauter und bedrohlicher.
    Was ist hier los?, wollte ich rufen, doch meine Stimme versagte kläglich.
    Jetzt machte Papa einen federnden Schritt vorwärts und im selben Moment duckte sich Colin wie ein Raubtier vor dem Sprung. Un­unterbrochen sahen sie sich in die Augen. Papas Blick jagte mir ei­nen Schauer nach dem anderen über den Rücken. So hatte ich ihn noch nie erlebt - roh, ungezügelt und unfassbar wütend. Colin wirkte auch wild, aber in seinen finsteren Zügen las ich vor allem Unglauben und ein bodenloses Erstaunen, vermischt mit Aggressi­vität und furioser Kraft.
    Ein grollendes Knurren schien aus Papas Kehle zu kommen. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und seine brodelnde Feindseligkeit hätte jeden anderen in die Flucht geschlagen. Colin aber hielt ihm stand.
    »Verlassen Sie sofort mein Haus«, sagte Papa leise, aber so dro­hend, dass mir ein kehliges Wimmern entwich. Was immer hier auch geschah - es jagte mir eine solche Angst ein, dass mir beinahe übel wurde und kalter Schweiß auf meine Stirn trat. Das waren kei­ne Menschen mehr. Das waren blutrünstige Rivalen.
    »Und kommen Sie meiner Tochter nie wieder nahe. Nie wieder.«
    Colin ließ sich nicht einschüchtern. Immer noch zog er prüfend die Luft ein und nicht ein einziges Mal hatte er mit der Wimper ge­zuckt. Seine Augen waren fest auf meinen Vater gerichtet.
    »Aber Papa, er hat mir doch gar nichts getan«, versuchte ich ver­geblich, die unerträgliche Situation zu entspannen.
    »Raus!«, brüllte er, ohne mich zu beachten. Seine Stimme war so laut und brachial, dass sie in meinen Ohren schmerzte. Nie zuvor hatte ich ihn so außer sich erlebt. Colin zeigte keine Spur von Angst oder Nervosität. Ohne den Blick von meinem Vater abzuwenden, zog er sich rückwärts aus dem Wintergarten zurück, öffnete die Tür und verließ das Haus über die Außenstiege.
    Auf dem Rasen drehte er sich noch einmal zu mir um - ein schreckliches Déjà-vu meines Traumes, nur trennten ihn jetzt eine dicke Glasscheibe und ein zorniger Vater von mir. Seine Augen glühten wie schwarze Kohlen, doch sein Blick war so traurig, dass er mir ins Herz schnitt. Dann verschmolz er mit der Dunkelheit der

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