Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
Vom Netzwerk:
grüne Pupillen auf - eine Bestie auf der Jagd, vielleicht war sie gefährlich, bissig, und sofort sah ich die Keiler aus Colins Keller vor mir. Ich schrie auf und versuchte, in die andere Richtung zu fliehen, doch dort war das Unterholz so dicht, dass ich kaum vorwärtskam. Über mir konnte ich keinen Himmel mehr erkennen. Wie ein gefangenes Tier kämpfte ich weiter, obwohl ich schon vollkommen die Orien­tierung verloren hatte.
    »Elisabeth.« Sobald Colins Stimme durch das schwarze Nichts schwappte, wollte ich mich auf den laubbedeckten Boden sinken lassen. Doch seine Arme fingen mich auf. Mühelos warf er mich über seine Schulter und trug mich wie ein Bündel Wäsche durch das Dickicht zurück zum Haus.
    Meine Kraft war vollends verbraucht. Meine Arme und Beine zer­flossen in Schmerz und Müdigkeit; es gelang mir nicht mehr, einen
    Rest von Würde in meiner Körperhaltung zu bewahren. Als Colin mich auf der Bank unter dem überstehenden Dach absetzte, lehnte ich meinen Kopf an seine Schulter und weinte haltlos. Das hatte er nun davon. Ich sollte ich selbst sein, hatte er gesagt. Jetzt war ich es und all die zurückgehaltenen Tränen der vergangenen Jahre durch­nässten den ausgewaschenen Stoff seines Hemdes.
    »Schau mich mal an«, bat er mich nach einer Weile. Ich hatte mir gerade lautstark die Nase geputzt und ich musste grässlich aussehen. Aber was änderte es schon. Mein Leben war ein außerordentlich bizarrer Trümmerhaufen, dessen Einzelteile mir niemand zufrie­denstellend erklären konnte.
    Wie vorhin folgte Colin fasziniert dem Lauf meiner Tränen, die langsam versiegten. Behutsam fing er eine mit dem Zeigefinger auf und leckte sic ab. Genüsslich schnurrend schloss er die Augen. Ich hielt verwundert inne. Er hasste sie nicht? Konnte das wahr sein?
    »Ich wusste, dass sie gut schmecken - aber so gut ...«
    Aus verweinten Augen schaute ich ihn an. Ich wollte meine glü­hende Stirn erneut an seinen kühlen Hals betten, doch sein Blick ließ mich zögern.
    »Halt still«, sagte er.
    Ich gehorchte, ohne zu atmen. Langsam beugte er sich vor und begann, eine Träne nach der anderen von meinem Gesicht zu - ja, zu essen? Konnte man das sagen? Ein Lecken jedenfalls war es nicht und ein Küssen auch nicht. Er klaubte sie sich mit der Zungenspitze sacht von meinen Wangen; ein Gefühl, als würde die Feder eines Kolibris meine Haut streifen. Kühl und leicht.
    Danach pustete er mir sanft über das Gesicht und ich fühlte mich augenblicklich erfrischt. Er selbst wirkte satt und zufrieden, obwohl ich nach wie vor die ungläubige Wut in seinen Augen erahnen konnte.
    »Möchtest du jetzt wissen, was ein Halbblut ist?«
    Ich nickte begierig. Meine Flucht hatte mich wieder zur Besin­nung gebracht. Ich war in einer elendigen Verfassung, aber ich konnte zuhören.
    »Du würdest nicht davon ablassen, mich zu fragen, oder?«, ver­gewisserte er sich.
    »Nein. Das würde ich nicht«, antwortete ich fest.
    »Das dachte ich mir. Du würdest wiederkommen. Und deshalb sage ich es dir jetzt. Denn du darfst nicht wiederkommen.«
    »Das werden wir ja noch sehen«, entgegnete ich stur, doch Colin sah mich mit einem Blick an, der meine Worte im Nu zunichte­machte. Dann wandte er sich ab und musterte seine weißen, fein-gliedrigen Hände, während er sprach.
    »Es gibt nur wenige Halbblüter. Sie sind etwas Besonderes. Ein Halbblut ist ein Mensch, der ...« Colin zögerte und schwieg kurz. Ich hing an seinen Lippen. «... der angefallen und beraubt wurde und dabei verwandelt werden sollte. Um ihn auf die andere Seite zu ziehen. Aber er hat sich mit aller Macht gegen diese Bluttaufe ge­wehrt, konnte sie unterbrechen und fliehen. Er ist wach geblieben, verstehst du? Deshalb wirkte die Bluttaufe nur halb. Halbblüter sind immer noch genug Mensch, um ein einigermaßen normales Leben zu führen. Und oft haben sie besondere Fähigkeiten. Dein Vater ist halb auf dieser, halb auf der anderen, dunklen Seite.«
    Er brach ab und gab mir Zeit, seine Worte zu verdauen. Mein Va­ter sollte etwas anderes als ein normaler Mensch sein - zumindest teilweise? Hatte ich das richtig verstanden? Aber was war die dunkle Seite, von der Colin sprach? Ich versuchte panisch, mich in rein menschliche, vertraute Bedeutungswelten zu retten. Mafia. Drogen­handel. Sekten. Und wusste doch, dass ich hier nichts finden würde. Es passte alles nicht.
    »Was ist das für ein Raub? Es geht nicht um - um Geld, oder? Nicht um Wertsachen?«, fragte ich mit scheuer

Weitere Kostenlose Bücher