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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Binhipar wandte sich um.
    Ein Mann näherte sich. Sein Gang war schleppend. Er blutete aus der Hüfte. Ein arphatischer Säbel glänzte in seiner Hand, und Algenfäden hingen von seinen Kleidern wie ein bizarrer Schmuck.
    So trafen sie aufeinander, am Ufer des Stillen Sees: die letzten Fürsten des Silbernen Kreises.
    »Ich habe dich erwartet.« Eine gefährliche Ruhe lag in Binhipars Worten, als er den Nahenden begrüßte. »Dein Weg hat dich zum Stillen See geführt. Hier stand der Turm Gendor, das Wahrzeichen deiner Familie … Sieh gut hin, Baniter! Es ist zerfallen, wie deine Lügen. Dein Verrat ist gescheitert.«
    Baniter war in sicherem Abstand stehen geblieben. Er presste die linke Hand auf seine blutende Wunde. »Du nennst mich einen Verräter? Wie wenig hast du begriffen! Du weißt nichts von der Macht der Sphäre.«
    »Ich weiß genug.« Binhipar sah zu den Türmen auf, die aus den Gassen emporragten. »Du hast Vara den dunklen Mächten ausgeliefert; dem Wahnsinn, dem Umsturz. Zauberei und Verrat! Aber das Erbe der Gründer kannst du nicht auslöschen.« Er schlug den Mantel zurück und zog sein Messer vom Gürtel.
    »Ach, die Gründer«, seufzte Baniter. »Du solltest aufhören, sie zu vergöttern. Die Ketten des Silbernen Kreises sind zersprungen. Außer uns beiden sind alle Fürsten tot oder verschollen. Glaubst du noch immer, wir wären zu Herrschern berufen? Unsere Macht wurde uns von den Zauberern der Sphäre verliehen, von Mondschlund und Sternengänger. Es steht uns nicht zu, über die Menschen zu gebieten.«
    »Was redest du da? Willst du mich wieder täuschen?« Binhipar schnaubte auf. »Du hast die Schatten auf Vara losgelassen, bis die Menschen sich im Wahn die Augen herausrissen und zu Geistern wurden. Und ich habe alles verloren, meinen Sohn, meine Frau – nur nicht den Verstand!«
    »An meinen Fingern klebt Blut, gewiss. Aber auch an deinen!« Nun konnte auch Baniter seinen Zorn nicht länger verbergen. »Durch deine Hand starben Inthara und ihr Kind; ein Mädchen, wenige Stunden alt. Es war meine Tochter, du Hund! Ich kenne deine Schuld! Ich weiß, wie du Akendor all die Jahre lang gequält hast, ich weiß, wie Syllana Nejori starb, seine Frau … auf einer Lichtung, zerrissen von deinen Hunden. Nein, du hast kein Recht, mich zu verurteilen.«
    »All dies musste getan werden, um Sithar zu schützen.«
    Binhipar sprach halb zu ihm, halb zur Menge. Es klang so, als wolle er sich verteidigen. »Wir, Baniter, sind nichts. Unsere Wünsche zählen nicht, nicht unsere Träume, nicht unser Wohlergehen. Der Silberne Kreis wurde erschaffen, um Sithar zu erhalten. Dafür habe ich gekämpft, mein Leben lang. Zweimal musste ich mit ansehen, wie ein Geneder den Kreis verriet; und zweimal habe ich mich den Verrätern entgegengestellt, erst deinem Großvater, dann dir. Und sieh, ich tue es wieder! Du wirst nicht über Vara herrschen.«
    »Das will ich auch gar nicht«, antwortete Baniter. »Ich habe die wahren Herrscher der Welt gesehen; die Sklaven der Sphäre, gefesselt an eine Tafel, wo sie von unendlicher Macht träumen und den Menschen ihre Pläne zuwispern. Wir alle dienten ihnen; manche, ohne es zu wissen, andere aus törichter Gier. Zu welcher Gruppe zählst du, Binhipar?« Er schritt langsam näher. »Du brüstest dich damit, dem Rat der Ahnen zu folgen. Nun, diesen Rat kenne ich. Brachte er dich dazu, die Gefahr der Goldéi zu verkennen? Ließ er dich dem Irrtum erliegen, dass Uliman ein besserer Kaiser wäre als sein Vater?« Er nahm die linke Hand von seiner Wunde und streckte sie Baniter entgegen. »Sieh, Binhipar … an meinen Fingern klebt Blut. Aber auch an deinen! Auch an deinen!«
    Binhipar lief rot an. Die Narbe am Hals trat deutlich hervor. »Geschickt sind deine Worte. Du mischst Wahrheit und Lüge wie ein Meister und wälzt deine Schuld auf mich ab.« Er streifte den Mantel ab und ließ ihn zu Boden sinken. »Ich habe genug gehört! Du hast das Erbe der Gründer verraten, ich aber will es bewahren. Sithars Schicksal entscheidet sich zwischen uns.«
    Und welch seltsame Entscheidung dies ist, dachte Baniter. Wir wählen zwischen dem alten Weg und einem neuen, den niemand kennt. Du, Binhipar, folgst dem Pfad der Narren, die sich von Sternengänger täuschen ließen. Und ich? Seine Augen waren auf das Messer in Binhipars Hand gerichtet. Wenn ich daran denke, was ich getan habe und was mich dazu trieb, muss ich innehalten. Zuviel habe ich in der Sphäre gesehen, als dass ich länger auf

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