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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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vor Wochen geflohen waren; schwappte über den steinernen Sims eines Fensters, um ein Wohnhaus zu überschwemmen. Das Sterbende Vara half dabei, die Stadt zu erneuern, indem es verschlang, was dem Verfall preisgegeben war.
    Kreise bildeten sich auf der Wasseroberfläche. Ein Glucksen drang aus der Tiefe; aufsteigende Blasen trieben die Algen beiseite. Prustend streckten zwei Männer die Köpfe aus dem Wasser. Sie rangen nach Luft. Schlick klebte in ihren Haaren.
    Baniter blinzelte. Der Gestank des Wassers ließ ihn schwindeln. Frösche quakten in der Nähe. Über ihm schien die Sonne; sie spiegelte sich auf den Flächen der Glasbauten, die wie durchsichtige Schieferplatten den Himmel beherrschten.
    Vara. Meine Heimat. Mit unbeholfenen Bewegungen hielt sich Baniter über Wasser. So bin ich tatsächlich zu Hause angelangt und finde die Stadt meiner Vorväter verwandelt vor. Sardreshs Phantasien sind wahr geworden …
    Er sah sich nach Ejo um. Der Arphater war zum Ende der Gasse geschwommen, wo das Wasser zwischen feuchten Steinen verebbte. Baniter folgte ihm. Glitschige Algenfäden blieben an seinen Fingern haften; er zog sie mit sich wie grüne Schleier. Endlich spürte er Grund unter den Füßen und wankte an Land.
    »Ich muss Abbitte leisten«, sagte er zu Ejo, der auf ihn wartete. »Ihr habt Euch den Weg durch das Verlies gut gemerkt. Seid Ihr wirklich in diesen Pfuhl hinabgetaucht, um mich zu finden?« Er schüttelte verwundert den Kopf. »Und das alles für Eure Herrin … Ihr erstaunt mich, Großer Ejo.«
    Der Schechim gab keine Antwort. Sein faltiges Gesicht wirkte müde. Nun kniete er sich auf die Straße, ohne die Augen von der Sonne abzuwenden. Er zückte seinen Säbel und hielt ihn ins Licht. Grün schimmerte die Klinge.
    Er ehrt Inthara, Arphats letzte Königin. Baniter fühlte einen Stich in der Brust. Er rief sich das Gesicht der Königin in Erinnerung, ihre Schönheit und Anmut; den Augenblick, als er ihr das erste Mal gegenübergetreten war, und ihre letzte Begegnung im Palast von Vara, als sie wieder versucht hatte, ihn zu verführen. Du warst wie die Sonne, Inthara, strahlend und schön. Doch mein Herz hast du nicht entflammen können. Deine Liebe zu mir war töricht und nur ein Teil von Mondschlunds Plan. Nachdenklich betrachtete er die seltsamen Türme. Und dieser Plan ist am Ende aufgegangen, selbst wenn Mondschlund es nicht miterleben konnte. Als ich ihm meine Stimme lieh, wandelte sich Vara für immer. Ich kann es nicht ungeschehen machen.
    »Ich werde ihren Mörder finden.« Ejo stieß die Worte unvermittelt hervor. »Der letzte Wunsch meiner Herrin ist erfüllt. Ich habe den Luchs von Ganata aus dem Verlies geholt. Nun geh mir aus den Augen, Baniter Geneder, ehe ich mich vergesse. Denn du hast sie nach Vara gelockt und ihren Tod verschuldet!« Er betrachtete den Säbel in seiner Hand. »Er wird gerächt werden, und auch der Tod ihres Kindes. Der stinkende Hund Binhipar soll arphatischen Stahl schmecken! Ich bin der letzte der Anub-Ejan, mein Atem soll über das zerfetzte Gesicht ihres Mörders streichen! Bei Agihors Zorn, ich werde ihn richten …«
    Er hielt inne. Dumpfes Gebell! Blutgieriges Jaulen. Unheimlich hallte es zwischen den hohen Glastürmen umher.
    Ejo packte den Säbel mit beiden Händen und sicherte seinen Stand. Baniter wich zurück. Binhipars Hunde!
    Nun warfen sie sich um die Hausecke; sechs riesige Hunde, triefende Lefzen, blutunterlaufene Augen. Hatten sie die zwei Männer gewittert, oder hasteten sie ziellos durch die Straßen, auf der Suche nach wehrlosen Opfern? Im Blutrausch preschten sie Ejo und Baniter entgegen. In den offenen Mäulern blitzten messerscharfe Zähne.
    Der Schechim wartete, bis sie dicht bei ihm waren. Er hob den Säbel. Einer der Hunde löste sich aus der Meute, wetzte schneller. Sprang.
    Die Klinge traf ihn in der Luft, spaltete ihm den Schädel. Die Wucht des Schlags ließ den Schechim straucheln. Er fuhr herum, riss den Säbel wieder empor. Jaulend schreckte ein weiterer Hund von ihm fort, tanzte in der Gasse einen Reigen, als jage er seinem zottigen Schwanz hinterher. Blut sprühte in alle Richtungen.
    Die übrigen Hunde überrannten Ejo. Er fiel, prallte auf die Steine. Eines der Biester grub die Zähne in seine Wade, ein zweites verbiss sich in seinem klatschnassen Gewand. Die Hände hatte der Schechim noch frei. Sein Säbel wirbelte herum; er führte ihn rückseitig, bohrte ihn dem letzten heranstürmenden Hund quer durch das Maul. Doch nun

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