Splitternest
als wäre ich verwandt mit zwei potthässlichen Fischern und einem Wüstling im bunten Rock?«
»Nichts gegen meinen Rock«, beschwerte sich Schalim. »Er war teuer, ich musste zwei meiner Mädchen eine Woche lang umsonst dem Schneider überlassen. Aber Wüstling – mit dem Vorwurf kann ich leben.« Er zwinkerte Mäulchen zu.
»Obacht, Parzer«, kicherte Ungeld. »Der Prasser macht dir dein Mädchen abhold.«
»Ich bin weder Parzers Mädchen noch seine Schwester«, keifte Mäulchen. »Und nun genug davon! Lasst uns nachdenken, wie wir hier wegkommen. Wenn in diesem Sumpf tatsächlich eine Schlacht toben soll, wird es rasch ungemütlich.«
»Gegen wen wollen die Gyraner überhaupt kämpfen?« fragte Ungeld. »Was soll das alles? Tarnac behauptet doch großspurig, er habe eine neue Welt entdeckt, ein neues Zeitalter, der ganze Unfug … dabei ist nichts geschehen, als dass sich ein dreckiger See in noch mehr Dreck verwandelt hat. Das soll die neue Welt sein? Lachhaft! Und warum zerrt uns der Wicht mit auf den Feldzug? Hätte er uns besser am Mast der Hotteposse aufgeknüpft, dann hätten wir unsere Ruhe.«
»Einen solchen Seemannstod hättet ihr Lumpen nicht verdient«, sagte Schalim. »Tarnac ließ uns am Leben, weil er alles über den Turmbinder erfahren will, den er stibitzt hat.«
»Ach ne. Der Turmbinder.« Parzer knirschte mit den Zähnen. »Mit dem hat er noch etwas vor, das weiß ich wohl.«
Der Heerzug kam zum Halt. Die Gyraner drängten sich zusammen, bildeten Blöcke, schlossen die Kampfreihen. Der zähe Grund machte es ihnen nicht leicht. Einige Männer hoben die Waffenkisten vom Schlitten, griffen nach ihren Schwertern und Spießen.
Dann kehrte jene unheimliche Stille ein, die auf jedem Schlachtfeld vor dem Zusammenprall herrscht. Das triste Rauschen des Regens, das Klappern der Rüstungen, hier ein Husten, dort ein Wispern – ansonsten herrschte Stille.
An der Spitze des Heers begann eine einzelne Brashii zu klagen. Der Wind trug ihr wehmütiges Lied über den Acker und ließ alle den Atem anhalten.
»Blödes Gejammer!« Parzer rollte mit den Augen. »Selbst Stollings Gezeter klingt angenehmer.«
»Sei ruhig«, herrschte ihn Mäulchen an. »Weißt du nicht, was das bedeutet? Die Schlacht beginnt!« Sie versuchte über die Helme der Krieger hinwegzuspähen.
»Zumindest wissen wir jetzt, wo wir das Armband finden«, fügte Ungeld hinzu. »Bestimmt ist es Tarnac, der da vorne dudelt.« Verstohlen sah er sich nach dem Aufseher um. »Gebt acht! Wenn alles drunter und drüber geht, machen wir uns aus dem Staub.«
»Aus dem Schlamm, meinst du wohl.« Schalim seufzte. »Nein, wir werden alle sterben, einen grausamen Tod. Ach, das Schicksal meinte es nicht gut mit mir! Wäre ich bloß nie nach Venetor gekommen, in diese elende Küstenstadt. Mir war Höheres bestimmt.«
»Hör auf zu flennen, Prasser.« Mäulchen drängte sich an ihre Freunde. »Und habt ein Äuglein auf die Waffenkisten. Da liegen ein paar schartige Klingen, die sich bestimmt gut in unseren Händen machen würden.«
Vor ihnen, an der Spitze des Heers, sang noch immer die Brashii das Lied des Krieges.
Der Feind war nah.
König Eshandrom lauschte dem Klang. Seine Miene war wie versteinert.
»Eine einzelne Brashii«, murmelte er. »Tarnac der Grausame stellt sich mir. Fast zweifelte ich daran.«
Er ließ den Blick über den Acker schweifen. Schlammspritzer übersäten sein Gesicht, die Lippen waren trocken, die Augen von dunklen Ringen umgeben. Die ganze Nacht hatte Eshandrom die Anstrengungen seines Gefolges beaufsichtigt. Die Kathyger hatten Gräben im feuchten Grund ausgehoben, um das Wasser abzuleiten, hatten Wälle aufgeschüttet, die ihnen Schutz boten. Es war eine Knochenarbeit gewesen. Ohne Schaufeln, nur mit Ledereimern hatten die Menschen bis zur Erschöpfung geschuftet. Sie waren müde, ausgehungert, ohne Hoffnung. Ihre Kleider und Gesichter waren so verdreckt, dass der König kaum sagen konnte, wer von ihnen alt oder jung, Mann oder Frau war.
»Die Gyraner kommen«, sagte er zu einigen Kriegern in seiner Nähe. »Nehmt euren Platz auf den Wällen ein, zückt die Spieße … wird werden Tarnac würdig empfangen!«
Die Bewaffneten eilten voraus und besetzten die Wälle. Die Frauen und Kinder drängten sich um die gestrandeten Schiffe, die seit dem gestrigen Abend noch tiefer in den Schlamm eingesunken waren.
Eshandrom schlug den steifen Mantel eng um die Schultern. »Wofür dies alles?« murmelte er zu sich
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