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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Licht hinter den Fenstern. Die Tür war verriegelt. Auf der steilen Treppe, die zum Dorf führte, stieg der Gastwirt Stolling Stufe für Stufe hinab. Den eisernen Schlüssel, mit dem er die Tür versperrt hatte, hielt er in der Hand.
    »Die Rote Kordel schließt«, wisperte Cornbrunn in Aelarians Ohr. »Es muss Jahre her sein, dass die Leute von Rhagis einem so schmerzlichen Ereignis beiwohnten.«
    Die zwei Troublinier hatten sich unter die Fischer gemischt, die sich am Fuß des Felsens versammelt hatten. Cornbrunn hatte den Arm um den Großmerkanten gelegt, teils weil ihn fröstelte, teils weil ihm bang zumute war.
    »Spotte nicht.« Aelarian betrachtete die silberne Kette, die der Schattenspieler ihm geschenkt hatte. Matt glänzte sie in seinen Fingern; die Falkenplakette ruhte auf dem Handballen. »Es wäre besser gewesen, Rhagis zu räumen. Zumindest konnten wir die Sturköpfe überzeugen, ihre Kneipe zu verlassen. Sie halten sich ja offenbar für gefeit gegen jede Art von Magie.«
    »Ihr spürt Ulimans Nähe, nicht wahr? Der Schwarze Schwan folgt der Fürstenkette. Nun, ich verstehe nichts von diesen Dingen; aber eins weiß ich: dem Biest will ich kein zweites Mal begegnen.« Cornbrunn zögerte. »Werft die Kette doch einfach fort, Aelarian – ins Meer! Lasst den Schwan im Verlies umherirren, lockt ihn nicht herbei!«
    »Uliman wird den Ausgang auch ohne die Kette finden. Aber da er unserer Spur folgt, sind wir in der glücklichen Lage, ihn aufhalten zu können.« Aelarian tastete nach Cornbrunns Hand. »Ich darf nicht zulassen, dass er die Welt ins Unglück stürzt. Uliman ist ein Kind. Rumos kann unmöglich alles Gute in ihm zerstört haben.«
    »Glaubt mir doch, Großmerkant: Der Schwarze Schwan trägt nichts von Eurem Zögling in sich. Eure Lehrstunden haben wenig gefruchtet! Wenn er uns findet, sind wir verloren.«
    »Verloren sind die, die sich selbst verloren geben«, schnarrte hinter ihm die Stimme des alten Schnappes. »Der Mensch ist geboren, um sich auch in schwerer Stunde zu finden. Das lehrt uns schon der Wind! Er ist der Zuchtmeister der Frierenden, er treibt uns zusammen, weil wir uns nach Wärme sehnen. So ist es auch mit der Zuversicht – sie überkommt die Verzagten, nicht die Furchtlosen!« Schnappes hatte seine Arca schräg über die Stirn gezogen; ein Wollschal schützte seinen dürren Hals. Gebeugt stand er hinter den Troubliniern und hielt den befeuchteten Zeigefinger in den Wind. »Ja, ein strenger Zuchtmeister«, fuhr er fort. »Er schlägt uns steif ins Gesicht, und wenden wir uns ab, bläst er von der Gegenseite und straft uns mit Backpfeifen. Was hilft’s da, fortzurennen? Wir müssen uns ihm stellen, stramm wie ein Segel. Nur so kommen wir vorwärts, wir Windgepeitschten.«
    »Für deine Vergleiche sollte dich nicht nur der Wind peitschen«, knurrte Aelarian. »Das ist kein Spiel, Schnappes! Wenn der Hauch von Nekon über dein Dorf weht, dann bete darum, dass der Wind ihn weiterträgt! Aber das wird er nicht … der Hauch wird euch alle ersticken.«
    »Unterschätze uns nicht«, protestierte der alte Muschelsammler. »Immerhin sind wir Varyns Nachfahren. So leicht pflückt uns kein fauler Zauber aus der Schale.«
    »Schnappes hat recht.« Stolling hatte inzwischen die Versammlung erreicht. Unwirsch baute sich vor den Troubliniern auf. »Wir sind bestens vorbereitet. Der Keller der Kordel ist verrammelt, die Türen sind zugenagelt. Den Vogel möchte ich sehen, der da hineinflattert.«
    »Auch wir kamen hinein«, rief Cornbrunn ihm in Erinnerung. »Das Verlies öffnet sich, wann immer es will, nach Lust und Laune.«
    »Fast so wie du, Stolling«, unkte ein Scherzbold aus der Menge. Er erntete verhaltenes Gelächter.
    Stolling warf finstere Blicke in die Menge. »Heute auf jeden Fall bleibt der Schenker geschlossen. Für die Ungehobelten unter euch auch länger!« Er fuhr zu Aelarian herum. »Hoffentlich weißt du, was du tust, Rotbauch. Schlimm genug, dass du Mäulchen, Ungeld und Parzer im Stich gelassen hast – nun lockst du auch noch einen Fluch nach Rhagis. Nicht, dass wir Angst davor hätten. Der Leuchtturm schützt uns Erben Varyns vor magischem Unbill. Aber heute Abend will ich im Schankraum das fröhliche Klappern der Tonschalen hören, kein Trauergeheul.«
    »Nein, Stolling, kein Trauergeheul. Nur grässliche Stille. Sonst nichts.« Aelarian drängte sich an Cornbrunn, um seine Nähe zu spüren. »Es ist soweit. Die Kette brennt in meiner Hand, mein Hals fühlt sich rau

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