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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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selbst. »Haben wir Kathyga verlassen, um in der Fremde zugrunde zu gehen, in einer Schlacht gegen unsere alten Feinde?«
    Er sah sich nach den Schiffen um.
    Vor dem Bug der gyranischen Galeere wartete Laghanos. Seine Füße sanken nicht in den weichen Grund ein, sie berührten den Boden kaum. Der Leib des Knaben war mit Silberdrähten umwickelt, das Gesicht unter der bizarren Maske verborgen. Um ihn schwebten die Silberklauen. Der Regen prallte dumpf von ihren Spornen ab.
    Eshandrom stolperte ihm entgegen. »Laghanos! Du, der uns hergeführt hat … sage es mir … was ist der Sinn dieser Schlacht?« Er klang verbittert. »Warum tust du uns das an?«
    Der Junge, der einst Laghanos gewesen war, schwieg. Mitleidslos blickte er den König an.
    »Du musst es uns sagen! Warum sollen wir kämpfen? Warum sollen wir sterben, hier auf diesem Feld? Haben wir nicht genug gelitten?«
    »Du stellst viele Fragen, Eshandrom.« Der Knabe klang enttäuscht. »Aber ich kann dir keine Antworten geben. Du musst nicht verstehen, warum dies hier geschieht – sondern nur deine Pflicht tun. Du hast die Menschen in die Schlacht zu führen. Sie brauchen einen König, einen Herrscher.« Seine Maske knirschte unheimlich.
    »Und wer wird dieser König sein? Ich oder Tarnac? Wirst du uns beistehen in dieser Schlacht – oder ihm?«
    »Ich habe euch vor den Goldéi gerettet und schenke euch eine neue Welt. Aber ihr müsst sie schon selbst in Besitz nehmen.« Laghanos’ Worte klangen hart. »Wer immer heute siegt, ob du oder Tarnac – am Ende wird es nur Sieger geben.«
    »Weil du es so bestimmt hast.« Eshandroms Gesicht verzerrte sich. »Du nennst dich unseren Retter und Beschützer. Aber tatsächlich bist du nur eins … unser Verderber.«
    »Euer Verderben habt ihr selbst verschuldet. Ihr habt mein Geschenk missbraucht, die Macht über die Quellen. Ich werde euch helfen, in Zukunft weiser mit ihr umzugehen.«
    Laghanos hob herrisch die Hand. »Kämpfe, Eshandrom! Zeig, dass du würdig bist, mein Erbe anzutreten.«
    Eshandrom taumelte wie benommen zurück. »Verflucht seist du«, stieß er hervor. »Du hast uns alles genommen und gibst uns nichts dafür.«
    Er wandte sich ab, zückte sein Schwert, stapfte durch den Schlamm auf den Wall zu, der die Schiffe umgab. Als er die Blicke der Kathyger auf sich spürte, blieb er stehen.
    »Die Gyraner werden nicht siegen«, schrie er voller Zorn. »Wir werden Tarnac und seinen Igrydes zeigen, dass nicht sie die Zukunft bestimmen! Ich werde euer König sein, jetzt und immer.« Er wischte sich das nasse Haar aus dem Gesicht. »Bringt die Brashii zum Schweigen! Zertrümmert sie! Zerschlagt sie! Heute Abend, wenn die Sonne untergeht, wird Tarnacs Haupt auf einem kathygischen Spieß stecken, als Zeichen des Sieges!«
    Er brüllte diese letzten Worte und erklomm den modrigen Wall, wo die Krieger auf ihn warteten. Die Bogenschützen legten ihre Pfeile an.
    Vor den zerschellten Schiffen schwebte Laghanos. Zufrieden beobachtete er den König.
    »Am Ende gehorchen sie alle«, flüsterte er. »Sie können nicht anders. Sie brauchen mich.«
     
    Die Stille vor der Schlacht. Das letzte Atemholen. Der Augenblick, in dem alle Furcht dem Rausch, dem Hass, dem bloßen Überlebenswillen weicht. Ich oder der Feind. Leben oder Sterben.
    Ungeld starrte in den Himmel. Sein Turban war ihm über die Ohren gerutscht und saß schräg auf der Stirn. Regen stob über ihn hinweg; dicke Tropfen, die ihm den Schweiß aus dem Gesicht wuschen.
    Dann sah er die Pfeile. Dunkle Punkte; erhaben schwebten sie in der Luft und sanken auf das Heer hinab.
    »Duckt euch!« schrie er.
    Er warf sich neben den Holzschlitten zu Boden. Schlamm spritzte in alle Richtungen. Neben ihm kauerte Parzer und fluchte. Ungeld konnte ihn nicht verstehen; zu laut war das Tosen, das nun auf dem Schlachtfeld losbrach. Tausende brüllten, schrien, jammerten. Ringsum sanken die Gyraner in den Dreck, Pfeile in den Bäuchen. Schwerter blitzten auf. Stiefel stampften im Schlamm. Männer in schweren Rüstungen strauchelten, ließen ihre Waffen fallen, stürzten in die öligen Pfützen des Ackers. Ein junger Igrydes, fast noch ein Kind, hustete Blut; in seinem Kehlkopf stak ein abgebrochener Pfeil.
    Ungeld griff zu seinem Turban und nestelte ein kleines Messer hervor, das im Netzstoff verborgen war. Eifrig versuchte er das Seil zu zerschneiden, das ihn an den Schlitten fesselte. Die feuchten Fasern gaben nur langsam unter der Klinge nach.
    Mäulchen tauchte vor ihm

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