Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
Vom Netzwerk:
zerschmolz in der Luft zu silbernen Tropfen.
    »Lasst ihn in Ruhe«, befahl Laghanos. Er atmete schwer, versuchte seine Maske zu beruhigen. Aber sie war außer sich, peitschte, rasselte, fraß sich tiefer in sein Gesicht. »Lasst ihn zu mir kommen.«
    Der Mann blieb in sicherer Entfernung stehen.
    »Vieles hast du gelernt, Nhordukael.« Laghanos’ Stimme war im Regen kaum zu vernehmen. »Nur wenige Menschen konnten die Sphäre durchschreiten und zugleich ihre Körper mitnehmen. Mondschlund hat dich gut abgerichtet.«
    »Ich habe den Weg ohne seine Hilfe gefunden«, antwortete Nhordukael. »Mondschlund ist tot. Ich habe ihn von seinen Qualen befreit. Auch dich werde ich erlösen, Sternengänger – von deinem Wahn, diese Welt lenken zu wollen.«
    Die Klauen der Beschlagenen hatten sich über den Auserkorenen gesammelt. Sie lauerten. Ein Wort von Laghanos, ein Wink, und sie würden Nhordukael in Stücke reißen. Aber der Knabe hielt sie zurück.
    »Du willst mich erlösen?« Sternengänger schüttelte den Kopf. »Du solltest es besser wissen. Du kennst den Preis für die Macht, die wir beide erlangt haben. Ewige Qual. Ewige Rastlosigkeit.«
    »Die Sphäre hat mich verändert, aber nicht zerfressen wie dich.« Nhordukael trat einen letzten Schritt auf ihn zu. »Sieh mich an, Sternengänger. Das Feuer in meinen Adern ist erloschen. Ich habe das Auge der Glut freigelassen und Frieden mit den Goldéi geschlossen. Ich tat das, was du niemals konntest: auf Macht verzichten.« Er wies mit dem Stab um sich. »Wieder hetzt du die Menschen in eine Schlacht und nimmst den Tod Tausender in Kauf … wofür, Sternengänger? Um ewig über die Sphäre zu herrschen? Da stehst du mir gegenüber im geraubten Körper eines Kinds, dessen Unschuld du ausgenutzt hast. Mit seinen Fingern klammerst du dich an die Sphäre. Du musst lernen loszulassen. Die Menschen brauchen dich nicht.«
    »Mach dich nicht lächerlich. Die Menschen folgen immer einer Fahne; wenn nicht meiner, dann der des Blenders. Glaubst du Narr wirklich, du hättest Mondschlund besiegt?« Sternengänger streckte Nhordukael die Hand entgegen. »Komm mit mir! Lass uns in die Sphäre schreiten. Ich will dir dein Versagen zeigen.«
    Nhordukael umgriff fest den Stab. »Ich habe mich von Mondschlund losgerissen und folge niemandem mehr.«
    »Was hast du zu verlieren?« Die helle Kinderstimme ließ Sternengänger fast harmlos erscheinen. »Fürchtest du dich etwa?«
    Er winkte die Silberklauen herbei. Sie packten seinen Körper, zerrten Sternengänger empor in die Lüfte. Der Regen donnerte herab, und schon war das Kind nicht mehr zu erkennen, verschwunden im Nichts.
    »Du bist es, der Angst hat«, murmelte Nhordukael. »Deshalb lockst du mich dorthin, wo du dich unbesiegbar glaubst. Aber das schreckt mich nicht.«
    Er öffnete seine Sinne der Sphäre. Das Wasser floh vor seinen Füßen, vor dem Ende des Stabs. Und als Nhordukael in die Sphäre zurückkehrte, blieb nur ein Abdruck im Schlamm zurück. Der Regen umspülte ihn, bis er vom Stiefel eines Kathygers zerdrückt wurde.
     
    Ein Poltern drang vom Felsen herab. Fäuste hämmerten gegen die Tür der Roten Kordel; mit jedem Schlag erbebte das Holz, die Angeln knirschten, die Eisenstreben bogen sich nach außen. Hinter den Fenstern huschten Schemen umher; Ellbogen zertrümmerten die Scheiben. Scherben klirrten auf nasskaltem Gestein.
    »Das ist ja wohl die Höhe!« Unten an der Bucht schnappte der Gastwirt Stolling nach Luft. »Diese Kerle zerlegen meine Kneipe!«
    »Glaubt Ihr nun endlich, dass uns jemand gefolgt ist?« fragte Cornbrunn. »Der Schwan hat den Weg aus dem Verlies gefunden.«
    »Dann ist er wohl wie Ihr aus der Wand geschlüpft.« Stolling zerrte am Kragen seines Seidenhemds, um sich Luft zu verschaffen. »Wer die Kordel betreten will, soll brav über die Türschwelle stolpern und sich nicht wie ein Wurm aus der Tiefe schälen.«
    »Unterirdisches ist lichten Augen ein Dorn«, palaverte der alte Schnappes. »Aber vergiß nicht, Stolling, auch unser Vorfahre Varyn hat einst den Leuchtturm aus dem verborgenen ans Licht gezerrt. Heißt es nicht, er habe ihn aus einer geheimen Stadt in der Tiefe nach Fareghi versetzt? Vielleicht müssen wir eines Tages dorthin zurückkehren … der Fluch der Vorzeitigkeit verlangt es.«
    Wieder zersprang oben auf dem Felsen eine Scheibe. Eine blutende Hand griff aus dem blinden Fensterloch und tastete den Sims ab.
    »Fluch der Vorzeitigkeit hin oder her«, zeterte Stolling, »ich sehe

Weitere Kostenlose Bücher