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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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eine riesige Gestalt, die vor dem Kreidefelsen kauerte und ihren Kopf auf das Gestein bettete. An manchen Stellen war der Schnee rot verfärbt und klaffte wie Wunden auf einem geschundenen Körper. Und in den Bergen jenseits der Bucht seufzte Suuls Hauch, voller Wehmut und so kalt wie seit Jahrhunderten nicht mehr.
    Die Goldéi waren zu spät gekommen. Die Klaue des Winters hatte sich Mondschlund ergeben und Imris der Welt entrückt. Das Verlies der Schriften war aus der Tiefe emporgestiegen und hatte die Stadt übernommen. Sie war nun Teil der Sphäre, Teil der Stadt aller Städte. Doch die Herrlichkeit und Größe dieser Stadt blieb den Goldéi verborgen. Sie konnten nicht sehen, welches Geschenk Mondschlund den Menschen gemacht hatte.
     
    Lange hatte der Keim im Untergrund geschlummert. Nun musste er wachsen und das Unkraut tilgen, mit dem Sternengänger die Wahrheit überwuchert hatte. Eine neue Legende sollte entstehen, gesungen von Mondschlund und niedergeschrieben vom letzten Herrscher der Menschheit, der in seinem Verlies gefangen war. Er sollte die Menschen in ein neues Zeitalter geleiten, und dieses sollte unter dem Zeichen des schwindenden Mondes stehen.
     
    Die Saat geht auf.

 
VORREDE
DES DRITTEN BUCHES
     
    Gharax … eine Welt, dem Menschen feindlich gesinnt. Sie duldete ihn nicht auf dem Land, nicht auf den Meeren, nicht im Gebirge, nicht in den Wäldern. Woher kam ihr Hass? Was brachte sie gegen ihn auf? Warum waren die Quellen so unversöhnlich gegen dieses schwache, unsichere Wesen? War es das bloße Wissen um seine Fähigkeit, sich die Welt unterwerfen zu können? Die Furcht vor seinen Händen, die jeden Wald roden, jedes Moor trocken legen, jedes Gebirge abtragen konnten? War es die Furcht vor seinen Augen, die alles verändern wollten, was sie sahen?
    Die Quellen verfolgten den Menschen unerbittlich. Sie verscheuchten ihn von jedem Platz, an dem er sich niederlassen wollte. Die Geister der Sphäre, die aus fremden Welten nach Gharax gedrungen waren, wüteten unter den Menschen voller Mordlust. Erst Kahida, eine Fischertochter von der Insel Tyran, schloss Frieden mit den Geistern und errichtete Athyr’Tyran, die erste Stadt auf Gharax, in der die Menschen sicher waren.
    Doch der Frieden zerbrach. Athyr’Tyran wurde zerstört, die Menschheit zerstreute sich in alle Winde, und die Quellen tobten weiter, bis Durta Slargin sie bändigte.
    Die Angst blieb in den Herzen der Menschen. Nachts am Lagerfeuer erzählten die Alten von einer kommenden Zeit, in der die Quellen ihre Fesseln abstreifen würden: dem Zeitalter der Wandlung. Dann würden die Menschen wiederum der Sphäre ausgeliefert sein, hilflos und ohne Hoffnung müssten sie sich eine neue Zuflucht suchen.
    Doch wo sollte diese Zuflucht sein? Viele glaubten an eine Wiederkehr von Athyr’Tyran, die ihre Tore den Fliehenden öffnen würde. Legenden verhießen, dass ein mächtiger Zauberer sie wieder aufbauen würde – nicht auf Tyran, jener steinigen Insel im Westmeer, sondern an einem anderen, geheimen Ort, der erst noch entdeckt werden musste.
    Doch es gab auch andere Stimmen. Sie wisperten von einem verborgenen Kontinent im Südmeer, der zur neuen Heimat der Menschen werden würde. Die Weisen der Stadt Yuthir, zerstört vor Jahrhunderten, sollten seine Lage gekannt und auf einer alten Karte verzeichnet haben. Aber niemand hatte die Karte je gesehen. Sie blieb eine Legende und der Südkontinent ein Rätsel, von dem nur wenige Gelehrte wussten.
    So blieben die Menschen im Ungewissen. Das Zeitalter der Wandlung brach an. Die Menschen verzweifelten, klammerten sich an jeden Hoffnungsschimmer und sehnten einen Retter herbei.
    Sie ahnten nicht, dass ihr Weg vorherbestimmt war. Die Stadt und der Kontinent, von denen die Legenden kündeten, waren ihren alten Verstecken entwichen und aus der Tiefe emporgestiegen. Nun boten sie Zuflucht vor dem Zorn der Quellen, vor den Mächten der Sphäre … und waren zugleich Gefängnisse, deren Schlüssel in dunklen Händen lagen.
     
    Wer konnte die Menschen von Gharax fortführen?
    Wer sollte hinter ihnen die Tore zustoßen?
    Wer würde enthüllen, was dem Zeitalter der Wandlung folgte?

 
KAPITEL 1
     
    Rosen
     
    Die Stadt lag in Trümmern, seit Tausenden von Jahren. Geröll kündete von den prächtigen Gebäuden, die einst hier gestanden hatten. Und immer wieder Spuren, Zeichen … eine allein stehende Säule mit verwitterten Ornamenten, ein brüchiger Turm, ein Steinkreis, der vor langer Zeit als

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