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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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der Zauberer. »Auch deinen kenne ich nun. Hast ihn oft genug im Traum gerufen. Laghanos, der Auserkorene. Was für ein Glück, Carputon, dass wir ihn gefunden haben.« Er rückte dicht an den Knaben heran. »Du erinnerst dich an alles, nicht wahr? An unsere Begegnung am Grab der Kahida … ich hieß dich im Namen der Bathaquar willkommen, aber du hast deine grässlichen Silberklauen auf mich gehetzt.« Er wies auf die klaffende Wunde. »Wie töricht, Laghanos … fast hätten sie mich zerrissen, mich und Carputon …«
    »Ich erinnere mich«, sagte Laghanos leise. »Die Beschlagenen fielen über dich her. Aber dann …«
    »… dann verriet dich eine der Klauen. Sie war beseelt von Mondschlunds Fluch, fraß sich in deine Maske, raubte dir alle Macht. O ja, Carputon, wir haben es gesehen … Mondschlunds feiges Spiel! Ihm bist du zum Opfer gefallen, wie so viele vor dir.«
    Laghanos wollte die Hände zum Gesicht nehmen und die Maske abtasten. Doch er konnte sich nicht rühren. Rumos hatte ihn gefesselt. Er war in der Gewalt des Bathaquari, bedeckt mit Asche und Sand. Drafurs Maske war zu einem leblosen Klumpen erstarrt, ihre Dorne hatten sich verkeilt, und die goldene Klaue war mit ihr verschmolzen.
    »All deine Macht dahin«, kicherte Rumos, »die Sphäre ist dir verschlossen … aber nicht für immer. Mondschlunds Zauber kann dich für kurze Zeit lähmen, aber niemals töten. Ich will dir helfen, den Fluch zu brechen.« Sein Mund verzerrte sich, die Zähne waren schwarze Stummel. »Oh, mein Herr Rumos, lass ihn nicht frei, nicht frei … spürst du denn nicht das Verderben, das von seinem Leib ausgeht? Lass ihn nicht frei, mein Herr!« Die Worte gingen in ein Gurgeln über. Der Zauberer riss seine brennende Hand empor, verschloss mit ihr den eigenen Mund, heulte auf wie ein Tier. »Still! Still, Schwächling! Der Auserkorene wird uns retten! Er wird die Flamme in uns löschen … uns befreien.«
    »Wie kann ich dich befreien, wenn ich selbst gefesselt bin?« Laghanos’ Stimme drang dumpf unter der Maske hervor. »Lass mich gehen, Rumos. Ich muss zu den Goldéi zurückkehren. Sie brauchen meine Hilfe, um die Menschen von Gharax fortzubringen.«
    Rumos’ Augen loderten auf. »Du glaubst noch immer an Durta Slargins falsche Versprechungen. Sieh doch ein, dass er dich benutzt hat, Laghanos! Uns alle! Ich lasse es nicht zu, dass du sein Knecht bleibst. Ich treibe ihn dir aus – mit seinem eigenen Feuer!«
    Er packte mit seiner rechten Hand den verletzten Arm. Asche flog auf, als sich seine Finger in das schwarze Fleisch gruben. Flammen züngelten empor. Dann brach das Gelenk wie ein morscher Zweig. Rumos lachte, lachte, als seine abgetrennte Hand zu Staub zerfiel und der blanke Knochen sichtbar wurde; er schimmerte fahl im Flammenschein. Auf ihm waren Linien zu erkennen – dünne Schriftzeichen und das Bild einer verblühten Rose.
    »Siehst du es nun? Deshalb brennen in uns die Flamme, all der Hass und all die Angst! Deshalb können wir nicht schlafen und nicht sterben! Sternengängers Funken, den ich zu beherrschen glaubte, den ich im Haus Moorbruch aus den Knochen lockte und der seitdem meinen Körper aufzehrt … o mein Herr Rumos, was hast du getan!« Er streckte Laghanos den schwelenden Knochen entgegen. »Du sollst die Flamme spüren, Auserkorener … dann wirst du mich von ihr befreien, ehe ich im Wahn versinke, ehe Carputon mich mit seiner Feigheit beherrscht. Denn du bist Sternengänger gleich an Macht! Du bist sein Erbe, du kannst uns retten und die Welt dazu … und bei Tathril, das wirst du tun, weil ich dich dazu zwinge! ICH ZWINGE DICH DAZU!«
    Er drückte den Knochen auf Laghanos’ Maske. Die Flammen sprangen sofort auf das Metall über, tanzten auf ihm wie Feuergeister. Laghanos bäumte sich auf, brüllte, versuchte, die Fesseln zu sprengen.
    Er war machtlos. Das Feuer sickerte in die Öffnungen der Maske, brannte sich in sein Gesicht, und die Macht der Ewigen Flamme riss seinen Willen fort wie ein glühender Strom.
     
    Die Kiste war aus Eisen. Ashnadas Finger glitten über das kalte Metall, ertasteten die Rillen und Vertiefungen der Seitenwände. Durch einen Schlitz fiel Licht in das Innere ihres Gefängnisses. Sonnenlicht … draußen herrschte Tag. Ein weiterer Tag ihrer Gefangenschaft, ein weiterer Tag in den Klauen der Goldéi.
    Ihre Glieder schmerzten, ihr Kopf dröhnte. Sie spürte genau, wo die Pranke des Goldéi den Schädel getroffen hatte. Wie viele Tage waren seitdem vergangen? Vier?

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