Splitternest
Säulen am Ende des Saals, flackerte in einer silbernen Schale ein Feuer. Um sie hatte sich eine Gruppe Kinder versammelt, in Fetzen gekleidet. Sie lachten, wiesen mit dem Finger auf Aelarian und sangen Spottlieder. Ihre Augen hatten einen seltsamen Glanz … tot und metallisch.
Die Windgeister aber setzten ihr Spiel mit Aelarian fort. Ihre Stöße und Knüffe wurden fester. Er fürchtete, bald an den Mauern zerschmettert zu werden.
Es gelang ihm, eine Hand freizubekommen. Rasch zog er die Scherenschnitte aus der Tasche, in der jähen Hoffnung, sie könnten sich doch als nützlich erweisen. Als die Geister ihn in Richtung des Feuers schubsten, hielt er die Figuren gegen die Flammen. Sie warfen im Feuerschein grobkörnige Schatten auf die Mauern des Saals. Schattenrisse auf uralten Steinen … ihre Ränder verschwammen, als Aelarian vom Feuer zurückgerissen wurde – doch nur kurz! Dann verdichteten sie sich zu undurchdringlicher Schwärze.
Der Großmerkant spürte einen stechenden Schmerz in der Kehle. Die Scherenschnitte entglitten ihm, trudelten herab, wurden von den Windgeistern fortgeweht. Die Schatten aber verschwanden nicht! Sie hafteten auf der Mauer, als hätte ein Pinsel sie mit schwarzer Farbe aufgemalt; eine riesenhafte Schlange, das Maul offen, der Giftzahn spitz wie ein Dolch. Neben ihr erhob sich ein dunkler Falke und spreizte die Flügel. Er floss über die Wand, flog auf dem Gestein zum hinteren Ende des Saals. Die Schlange senkte den Kopf. Verschmolz mit dem Boden. Ihr Schatten wand sich auf den Steinplatten vorwärts, peitschend schnell.
Das Gelächter ringsum wurde zu einem Jammern. Die Windgeister schreckten auf, ihre Körper wurden durchsichtig. Jene, die in der Nähe der Schatten schwebten, verfärbten sich zu blauschwarzem Rauch und lösten sich auf. Auch die Kinder am Feuer schrien vor Angst, suchten hinter einer Säule Schutz. Doch die Schattenschlange hatte sie längst erreicht, schlängelte sich an einer Säule empor wie ein schwarzes Band …
»Jetzt seid ihr die Gejagten«, höhnte Aelarian. »Fort mit euch! Zurück in eure Geisterwelt!« Er entsann sich des Tanzes, den Aldra in seinem Park aufgeführt hatte; an die dunkle Brut, die aus den Wipfeln herabgesunken war; an die Wanderung durch das Verlies, als die Schatten ihre ständigen Begleiter gewesen waren. Ihre Macht war hier auf Tyran noch größer als in Schattenbruch … und er, Aelarian Trurac, hatte sie entfesselt.
Die Windgeister ließen endlich von ihm ab. Aelarian überschlug sich in der Luft; sein Mantel flatterte auf, als er dem Boden entgegenstürzte. Er wollte sich abrollen, doch die Wucht des Falls war nicht zu bremsen. Hart schlug er auf den Steinplatten auf. Sein linker Fuß knickte um, ein stechender Schmerz im Brustkorb raubte ihm den Atem, sein Mund füllte sich mit Blut. Keuchend erhob er sich und starrte zur Säule.
Die Schlange hatte das Kapitell erreicht. Im Widerschein der Flammen breitete sich der Schatten auf der Saaldecke aus, ein Schlangenknäuel. Eines der Kinder brach zu Boden; aus den Augen rann schwarzes Blut … nein, kein Blut, verdichtete Schwärze wanderte über das kleine Gesicht, fächerte sich in dunkle Schattierungen auf, rauchgrau und mattschwarz, nachtblau und finster, und der Schädel klaffte, als hätte ihn ein Hieb getroffen. Ein kopfloser Körper sank auf die Steinplatten. Am anderen Ende des Saals flatterte der Falke über die Wände, jagte den Windgeistern nach. Ihr Flimmern wurde schwächer, ihre Rufe verzweifelter …
»Mondschlund!« Eine helle Kinderstimme hallte durch den Saal. »Wenn du mich finden willst – hier bin ich! Aber ruf deine Mörderbrut zurück, deine grausamen Schatten!«
Hinter der Säule war ein Mädchen hervorgetreten. Ihre Haut war dunkel, das Haar schwarz und zerzaust. Ihre Augen waren fremdartig, sie verschluckten alles Licht, wirkten tot.
»Ruf sie zurück, Mondschlund! Was bringt dir unser Tod? Wir kehren ja doch zurück … müssen immer zurückkehren, wieder und wieder, da wir nicht leben und nicht sterben, so wie du. Ruf sie zurück und lass uns miteinander reden.«
»Ich … bin nicht Mondschlund«, keuchte Aelarian. »Ich … bin es nicht!«
Sie wies auf eine Steinplatte vor Aelarian. Auf ihr prangte das Rosenzeichen. Daneben lagen unversehrt die zwei Scherenschnitte. Aelarian schlurfte auf sie zu. Sein Fuß schmerzte höllisch. Er nahm die Schattenfiguren auf und hielt sie gegen die Flammen.
Schlange und Falke erstarrten. Vorsichtig bewegte
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