Splitternest
tattrigen Mundschenk, der mich mit Wein voll spritzt.«
Durta Slargin lachte. »Ha, Cladimor, hast du das gehört? Nun stell den Kelch schon ab – gut so! Der Herr Geneder ist sich zu fein, deinen Wein zu trinken. Und das, obwohl nur sein müder Geist an dieser Tafel lungert, während sein Körper im Verlies dahinrottet. Da nämlich weilt unser Herr Geneder, eingesperrt in den Schwarzen Schlüssel, um uns sein läppisches Geschichtlein vorzutragen.« Er riss sich die Flickenhaube vom Kopf. »An die Nacht im Norfes-Tempel erinnerst du dich also, Baniter Geneder. Es war damals schwer, richtig mühevoll gar, in deine verstockten Träume zu dringen. Es gelang mir nur dank Cladimors Sternkarte; diese war ganz in deiner Nähe, sie lag im angrenzenden Raum. Durch ihre Magie konnte ich mich dir zeigen, wenn auch nur kurz …«
»Die Karte von Lyndolin Sintiguren?« Baniter lief ein Schauer über den Rücken.
»Richtig. Cladimors Sternkarte. Im Lauf der Jahrhunderte auf eine begabte Sängerin übergegangen.« Durta Slargin deutete nachlässig in die Dunkelheit. »Da sitzt sie übrigens, deine einstige Begleiterin. Auch sie ist inzwischen in diesem Saal angekommen, und Zeit war es für sie … zu alt für eine Welt, die untergeht. Als die Goldéi Praa eroberten, trällerte sie ihr letztes Lied. Nun zahlt sie den Preis dafür, der Sphäre zu nahe gekommen zu sein.«
Sie war es tatsächlich: Lyndolin Sintiguren, ganz in sich zusammengesunken, ihr Greisengesicht totenbleich. Schüttere Locken klebten an ihren Schläfen. Sie biss die Lippen fest aufeinander und starrte auf die Harfe, die vor ihr auf dem Tisch lag.
»Den Preis müssen alle zahlen, die sich der Magie zuwenden. Sie finden keinen Frieden nach dem Tod. Für Lyndolin tut es mir besonders leid. Sie hatte sich doch so nach der Stille gesehnt, die dem letzten Atemzug folgt. Und nun? Nun ist sie in übler Gesellschaft!« Durta Slargin schlug mit der Faust auf die Haube, als wolle er sie auf dem Tisch zerquetschen. »Ja, sieh dich ruhig um, Baniter. All die bedauernswerten Opfer der Sphäre haben sich eingefunden, dir zu Ehren. Wolltest du nicht schon immer den großen Apetha sehen, den ersten König von Arphat? Dort findest du ihn, ganz hinten.«
Am anderen Ende der Tafel lungerte ein hagerer Arphater, der die Augen geschlossen hatte. Seine Haut wirkte verbrannt, ein Feuer hatte ihm alle Haare vom Kopf gesengt. Er musste einst ein stolzer Mann gewesen sein, das sah Baniter ihm an. Nun aber war er gebrochen und gefesselt wie die anderen.
»Ja, ich war auch enttäuscht, als ich ihm zum ersten Mal begegnete. Ich hatte ihn mir würdiger vorgestellt, den großen Apetha, der gleich zweimal die Welt erobert und selbst die Gyraner windelweich geprügelt hat. Den großen Apetha, der mit seinem Heer bis zum Brennenden Berg preschte. Dort endete sein Siegeszug …«
Baniter nickte. »Ich kenne die Legende. Er ritt mit seinem Pferd den Vulkan empor und tauchte in die Glut …«
»Eine hübsche Geschichte.« Durta Slargin klopfte sich stolz gegen die Brust. »Mein Werk natürlich. Die Wahrheit ist, wie immer, spröder. Der gute Apetha war nämlich übermütig geworden. Stell dir vor, Baniter: Da ließ ich es zu, dass dieser Mann halb Gharax eroberte, und er wollte sich nicht damit zufrieden geben, ritt zur Quelle von Arnos, um sie mit seiner silbernen Peitsche zu bannen. Und das lange vor meiner Wanderschaft durch Gharax. Hätte ich das dulden sollen? Ich habe den machtgierigen Kerl höchstpersönlich in die Glut befördert, mit einem kräftigen Tritt.« Durta Slargin zwinkerte Apetha zu, und dieser blickte kurz auf. Seine Augen waren müde, kein Hass, keine Kraft in ihnen.
»Das alles war noch vor der Bezwingung der Quellen. Seit Athyr’Tyran gefallen war, breiteten sich die Menschen auf Gharax aus. Selbst in der Nähe der Quellen siedelten sie sich an. Wenn du mir nicht glaubst, frage die Kerle dort hinten … Agis von Gyr und Darcon den Weisen. Die ersten Herrscher von Gyr und Candacar. Du wirst sie kaum erkennen, es ist recht dunkel dort hinten … He, ihr beiden, zündet doch auch ein paar Kerzen an und hört fein zu, was ich dem Luchs von Ganata erzähle! Er soll wissen, wer Gharax damals den Frieden brachte!« Slargin wandte sich wieder an Baniter. »Wären wir nicht gewesen, hätten die Menschen Übles angerichtet. Sie hätten die Quellen gefesselt, ohne zu wissen, was sie da tun; sie hätten gar die Tore wieder aufgestoßen, die Kahida versiegelt hatte. Deshalb
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