Splitternest
kommen würde. Sie begannen sich nach Athyr’Tyran zurückzusehnen, errichteten neue Städte, teilten sich in Völker auf. Jeder weiß, wohin das führt: zu Krieg und Leid. Männer wie Apetha und Darcon trommelten ihre Heere zusammen, um die Menschen zu unterjochen, um alle unter ihrer Herrschaft zu vereinen.« Durta Slargin atmete tief durch, um sich zu beruhigen. »Du siehst, ich musste handeln. Also habe ich die Quellen gefesselt, ehe Mondschlund mir zuvorkam. Ich bündelte ihre Magie, ordnete sie in Schichten, zwang die Herzen der Quellen in meine Gewalt. Und Mondschlunds Plappereien setzte ich eigene Legenden entgegen, um die Erinnerung an seine Stadt auszulöschen, um seinen Namen zu tilgen.«
»Das ist dir schlecht gelungen«, sagte Baniter. »Mondschlund hat sich nicht aus dem Gedächtnis der Menschen vertreiben lassen.«
Durta Slargin seufzte. »Da hast du recht. Sein Gesang war zu süß, seine Versprechen zu verlockend. Ach, ich mag ihn nicht länger anhören. Lyndolin, spiel du uns lieber auf deiner Harfe vor. Spiel das Lied von Sternengängers Wanderschaft, von seiner unendlichen Güte …«
Die Sängerin tastete nach der Harfe, schlug mit der rechten Hand zaghaft die Saiten an. Doch sie konnte nur unter Schmerzen spielen; die Finger waren blutige Stümpfe. Mit jedem Schlag rissen die Saiten das Fleisch auf, schabten gegen die bloßliegenden Knochen, und eine verzerrte Melodie erklang.
»Ja, spiele von meiner Wanderschaft! Sternengänger schritt durch die Welt und bannte die Quellen … jede einzelne suchte ich auf und zwang sie in meine Gewalt, mit den letzten Brocken des Schwarzen Schlüssels, die Mondschlund mir gelassen hatte. So rächte ich mich an ihm. Aber mein Sieg war von kurzer Dauer … Deswegen sitzt du hier, Baniter Geneder: ein Nachfahre der Gründer, dessen Familie sich von mir abwandte und Mondschlunds Ruf folgte. Du hast dich in sein Verlies locken lassen, und nun liest du aus seinem Buch, um seine Stadt zu erwecken …«
Baniter konnte das überhebliche Gerede kaum noch ertragen. »Du wirfst mir vor, Mondschlund auf den Leim gegangen zu sein? Dass ich nicht lache! Schließlich hast du dir die anderen Fürsten gefügig gemacht, selbst meinen Großvater …«
Sternengänger blickte ihn erstaunt an. »Du weißt davon? Vermutlich von Bathos, diesem alten Schwätzer, der im Verlies umherspukt. Nun, dein Großvater wandte sich erst im letzten Augenblick von Mondschlund ab. Fast hätte er sich in seinem Netz verstrickt, und die Stadt aller Städte wäre schon früher erwacht. Aber Norgon Geneder nahm Vernunft an; ja, mehr noch, er machte mir ein kostbares Geschenk. Er führte meine Verbündeten hinab ins Verlies, damit sie weitere Brocken des Schwarzen Schlüssels bergen konnten. Die treuen Südsegler … längst umrunden ihre Schiffe das Ufer des neuen Kontinents, den ich den Menschen schenken will.« Er seufzte. »Auf ihm wird Mondschlund nichts zu sagen haben. Soll er sich an seiner hässlichen Stadt erfreuen … verblendete Geister werden in ihr umhertaumeln, einem falschen Gott huldigen, einen falschen Kaiser preisen – dich, Baniter, Mondschlunds Statthalter! Aber die, die an mich glauben, werden frei sein! Frei vom Fluch der Sphäre.«
»Nur nicht frei von dir«, höhnte Baniter. »Auch diese neue Welt, wo immer sie liegen mag, willst du beherrschen. Das ist keine Freiheit, Sternengänger, nicht so, wie ich sie verstehe.«
Durta Slargin dachte darüber nach. »Freiheit wird sowieso überschätzt. Die Menschheit liebt es, sich hinter einer Fahne zu versammeln. Deshalb braucht sie Könige und Kaiser, Fürsten und Priester; nur deshalb braucht sie zwei Auserkorene, in deren Körper wir zurückkehren, um die Welt zu erneuern. Wie sollten sie sonst begreifen, dass sie Gharax verlassen müssen?« Er blickte lächelnd zu Mondschlund. »Aber halt … nur einer von uns kehrt ja zurück. Mondschlund hat zu spät bemerkt, dass ein Zeitalter der Wandlung anbricht, dass zwei Menschen geboren wurden, deren Körper unsere Geister aufnehmen können. Und während ich endlich, nach so langer Zeit, heimkehren kann, hat er seinen Auserkorenen verzogen und verzärtelt. Er wird ein Gefangener der Sphäre bleiben.«
Mondschlund wimmerte. Seine Augen flackerten, doch der Gesang riss nicht ab.
»Ja, mein Bester – ich spreche von Nhordukael! Kein Wunder, der Bursche ist hartnäckig – auch von mir ließ er sich nichts einreden.« Sternengänger lachte hämisch. »Und noch immer singt Mondschlund
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