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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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sein Liedchen, um Nhordukael auf seine Seite zu ziehen; ich fürchte nur, es ist zu spät dafür! Was soll’s. Ich muss euch verlassen. Sternengänger kehrt heim.«
    Baniters Augen wanderten über die Tafel, doch die um ihn Versammelten wichen seinem Blick aus, als schämten sie sich für Sternengängers Worte. Mondschlunds Gesang wurde quälender, Lyndolins Harfenspiel lauter. Ihre blutigen Fingerstümpfe tanzten über die Saiten. Neben Baniter stöhnte der alte Cladimor, stopfte sich die Fetzen seiner Sternenkarte in den Mund und versuchte vergeblich, sie hinabzuschlucken. Sternengänger aber trommelte belustigt mit den Fingern im Takt von Mondschlunds Melodie.
    »Du willst also heimkehren nach Gharax«, sagte Baniter mit fester Stimme. »Dann verrate mir, wie du die Ketten an deinen Händen loswerden willst.«
    Slargins Trommeln brach augenblicklich ab. »Gut, dass du mich daran erinnerst. Noch wird mein Geist an diesem Ort festgehalten. Befreien kann ihn nur die Kraft eines pochenden Herzens, eines atmenden Körpers.« Sein Blick wurde bohrend. »Und die Macht, die in deinen Händen ruht.«
    Der glühende Wind strich über Baniters Kopf; er spürte ihn bis in die Haarwurzeln. »Was habe ich damit zu schaffen?«
    »Du lebst. Dein Körper lebt. Du bist noch Mensch, kein Geist wie ich. Seit ich am Ende meiner Wanderschaft von den Wispernden Feldern zerrissen wurde, bin ich nur noch Stimme. Ich herrsche durch Träume und Worte, durch Mythen und Lieder.« Sternengänger deutete auf das Buch. »Du hältst den Schwarzen Schlüssel in deinen Händen. Das gibt dir große Macht.« Er beugte sich vertraulich über den Tisch. »Lies weiter, Baniter! Lies, was in deinem Buch geschrieben steht … aber andere einen Teil, einen winzigen Teil nur. Erzähle von Sternengängers Befreiung aus dem Verlies der Schriften. Erzähle von seiner Gefangenschaft, von dem großen Glück, das ihm den Schlüssel seines Kerkers in die Hände spielte. Erzähle, wie er die Ketten abstreifte, sich aus dem Verlies schlich, ans Tageslicht zurückkehrte und verschwand … auf dem Silbermeer, hinter den Wellen. Willst du das für mich tun?« Seine Augen glitzerten gierig. »Willst du das tun, Baniter?«
    »Warum sollte ich?« stieß der Fürst hervor. »Du hast mich und meine Familie benutzt, du hast die Goldéi herbeigeholt und gegen uns Menschen aufgehetzt! Warum sollte ich es dir noch leichter machen, den Tod nach Gharax zu tragen?«
    »Weil ich nicht nur den Tod bringe, sondern auch das Leben. Mit der einen Hand nehme, mit der anderen gebe ich. So wie Tathril.« Er schmunzelte. »Wenn du mich befreist, Baniter, werde ich deine Familie in Sicherheit bringen. Deine süßen Töchter – wie heißen sie gleich? Banja, Sinsala und Marisa. Schöne Namen! Ich werde alle drei retten und von Gharax fortbringen, ehe die Goldéi alles zerstören. Denn auch deine Heimatstadt Gehani wird fallen.«
    In Baniters Schädel pochte das Blut. Meine drei Kätzchen … sie sind in Gehani nicht mehr sicher.
    »Vertraue mir, Baniter. Wer weiß, was Mondschlund noch mit deiner Familie vorhat, nun, da Inthara ihr Kind zur Welt gebracht hat? Deine drei Mädchen könnten seine Pläne empfindlich stören, meinst du nicht?«
    Baniter wollte die Hände hochreißen, das Buch in Sternengängers überhebliche Fratze schleudern, mit beiden Fäusten auf ihn eindreschen. Aber der Schwarze Schlüssel hielt ihn fest, so wie der Zauberer es gesagt hatte. Ich kann nichts tun! Ich bin machtlos!
    »Und Jundala?« fragte er mit bebender Stimme. »Kannst du auch sie retten? Kannst du … sie zu ihnen bringen? Sie sollen wenigstens eine Mutter haben, wenn ihr Vater ein Gefangener bleibt.« Es fiel ihm schwer, Durta Slargin anzuflehen.
    Der Zauberer leckte sich nachdenklich über die Lippen. »Jundala? Nun, sie lebt, falls dich das beruhigt, und sie ist, wie es der Zufall will, längst auf dem neuen Kontinent eingetroffen. Sie hat ihre Augen geöffnet und sieht das neue Zeitalter nahen. Aber wenn du mich so nett darum bittest, werde ich sie an die Hand nehmen und mit ihr deine Kinder aus Gehani holen.« Vergnügt zog er die Hände auseinander. Die silbernen Ketten spannten sich. »Mondschlund hat dir übel mitgespielt, ja, wirklich … lass mich dein Leid lindern, indem ich deine Familie vereine. Es wäre ein Jammer, wenn sie mit Gharax unterginge. Lies in dem Buch, Baniter! Befreie mich durch die Macht deiner Stimme, und ich werde deine Kinder schützen.«
    Er lehnte sich zurück.

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