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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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verlassen, seine Füße berührten die Felsen nicht mehr. Die Silberklauen eilten ihm zu Hilfe, trugen ihn auf das Meer hinaus.
    Mit einem wütenden Schrei fegte Sternengänger den Falken beiseite, trat den zerfallenden Schlangenleib fort. Er schwebte sicher über dem Wasser. Die Maske saß schräg auf seinem Gesicht, streckte ihre Dornen der Sonne entgegen.
    »Er zieht weiter.« Kahida sprang von dem Stein und rannte auf Aelarian zu. Sie zog seine Hände herab. Die Scherenschnitte entglitten seinen Fingern. »Sternengängers letzte Wanderung beginnt. Er wird noch einmal durch die Sphäre schreiten – doch diesmal nicht, um die Quellen zu quälen, sondern um die Menschen fortzubringen.«
    Aelarian sah Sternengänger nach, dessen Körper hoch in die Lüfte stieg. Die Beschlagenen trugen ihn zu den Schiffen. »Dann beginnt alles von vorn – dann sind wir wieder seinem Wohlwollen ausgeliefert.«
    Das Mädchen lächelte. »Nein, Aelarian. Dieses Mal nicht. Er glaubt es noch selbst, aber ich weiß es besser.« Sie fasste sich ans Herz. »Das Zeitalter der Wandlung endet, die Zauberer verlieren ihre Macht. Es wird eine Zeit kommen, in der ihr Menschen euch ganz von der Sphäre befreit. Glaube nur fest daran, Aelarian.«
    Sie sagte es mit solchem Ernst, dass er schmunzeln musste. »Das wäre in der Tat etwas, woran ich glauben könnte. Eine Welt ohne Magie. Eine Welt ohne Zauberer, die uns lenken.«
    Sie lächelte. Ihre Fröhlichkeit wärmte sein Herz.
    Aelarian wandte sich um und sah auf die Trümmer von Athyr’Tyran. Das Feuer in der Stadt verglühte langsam; und Aelarian wusste, dass unter der Asche der Körper von Rumos begraben war. Der Gedanke war, er musste es zugeben, mehr als beruhigend.
    »Trauern werde ich nicht um dich, Rumos«, murmelte er. »Aber ich wünsche dir, dass du Frieden findest. Wenn die Sphäre ihre Macht verliert – sie, die dich zerstört hat –, kannst auch du endlich ruhen.«
    Er blinzelte in die Sonne. Ihre Strahlen hatten alle Schatten fortgewischt, alle Geister und Täuschungen, selbst Kahida. Aelarian blieb nur die Erinnerung an ihr Lächeln, mit dem sie die Geister der Sphäre gewonnen hatte – und am Ende auch ihn.

 
KAPITEL 5
     
    Vergeltung
     
    Es regnete. Seidene Fäden umwoben die Stadt, wurden vom Wind gegen Varas Hauswände geweht, perlten an den Wänden der Glastürme herab. Die Nacht war grau verschleiert, der Regen verdeckte alle Rufe, alles Kampfgetöse. Er täuschte eine friedliche Nacht vor, doch in den Straßen herrschte Aufruhr.
    Die Halle der Bittersüßen Stunden lag in einem Teil von Vara, den das Verlies längst erobert hatte. Wahnwitzige Bauten türmten sich über dem alten Badhaus auf und schufen eine unheimliche Kulisse, die der Regen mit grauem Pinsel nachzeichnete. Feine Tropfen trommelten gegen die Fenster. An einigen Ritzen fanden sie Einlass, rannen an den Innenwänden herab und sammelten sich auf dem Mosaikboden des leeren Beckens. In der Lache schillerte das Spiegelbild des Mondes, der durch eines der Fenster in die Halle blickte. Er wurde begrüßt mit einem Heulen und Jaulen, mit tollwütigem Kläffen und Knurren; speicheltriefende Lefzen, die das Mosaik mit blutigem Geifer besudelten, schartige Pfoten, die in den Rillen kratzten, bis die Keramikplättchen splitterten … eine Hundemeute, ausgehungert und enthemmt. Das Mondlicht fachte ihre Raserei nur an, ihr Gebell hallte schaurig von den Wänden … entfesselte Wut und Mordlust.
    Das Außentor des Badhauses fiel krachend ins Schloss. Klippenritter eilten die Treppe zum Gorjinischen Markt hinab, schützten ihre Gesichter vor dem Regen. Tagelang hatten sie das Badhaus und die darin eingesperrten Hunde gehütet. Nun brachen selbst sie, die tapfersten Ritter Sithars, ihren Eid. Sie wollten nicht länger auf den Tod warten … sie wollten fort, fort von dem Badhaus. Denn sie hatten die Schatten erspäht, die kurz die Fenster des Badhauses verdunkelt hatten … lebende Schwärze, dem Verlies entstiegen, um Varas Bewohnern die Augen zu öffnen, um ihnen die Herrlichkeit einer kommenden Stadt zu enthüllen. Die Ritter flohen, ohne zu wissen, wohin. Wussten sie nicht, dass kein Mensch Vara verlassen konnte? Wussten sie nicht, dass in den Straßen gekämpft wurde, unter gläsernen Türmen, die den Himmel beherrschten, die in unwirklichem Licht erstrahlten und von unsichtbaren Kräften erschüttert wurden? Der Boden bebte. Aus den Kanälen schwappte dunkles Wasser in die Gassen, aus den Winkeln des Sterbenden

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