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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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GENEDER UND SEINER GEMAHLIN …«
    Und die Geister des Verlieses hoben die Waffen auf, die von den Gefallenen zu Boden geschmissen worden waren; sie nahmen die Schwerter und Dolche und wandten sich gegen alle, die den Schatten noch standgehalten hatten.
    »FÜR KAISER BANITER GENEDER … FÜR MONDSCHLUND …«
    Der Regen dämpfte alle Todesschreie.
     
    Die Eiserne Insel erzitterte. Das Wasser trat über die Ufer und schwappte gegen den Turm Gendor, ein kühnes Bauwerk von ovaler Form, dessen Dachfirst mit Kupfer beschlagen war. Der große Baumeister Sardresh von Narva hatte ihn entworfen, auf Wunsch der Familie Geneder … der alte Turm, der an seiner Stelle gestanden hatte, hatte ihm weichen müssen. Nun drohte auch dieser zweite Bau ersetzt zu werden. Gendors Sockel bebte, ein Grollen drang aus der Tiefe. Steine lösten sich aus den Mauern, und die Kupferverkleidung wellte sich mit hässlichem Laut.
    Im Inneren hastete Darna Nihirdi, Binhipars Gemahlin, die Wendeltreppe empor. Sie keuchte schwer, die grauen Haare hingen ihr nass ins Gesicht. Vier Klippenritter folgten der Fürstin. Von draußen hörten sie die erregten Schreie der Kämpfenden.
    »Akendor … lang lebe Kaiser Akendor …«
    Sie erreichten den obersten Absatz. Die Tür des Turmzimmers stand offen. Im Rahmen lag der Leichnam eines Klippenritters, sein Kopf verdreht, die Hände noch am Schwertgriff. Die Ösen des Kettenhemds waren blutdurchtränkt.
    Darna Nihirdi warf einen kurzen Blick in das Turmzimmer. Ihre Mundwinkel zuckten.
    »Wie konnte das geschehen?« herrschte sie einen der Klippenritter an. »Sagte ich nicht, dass immer zwei Mann Wache halten sollen … zwei Mann?«
    Das Gesicht des Ritters war starr. »Es waren zwei. Der andere lag unten, vor dem Turm. Das Wasser hat die Leiche fortgespült, als wir sie bergen wollten.« Er bückte sich zu dem Toten und schloss seinem Waffenbruder die Augen. »Er kann nicht weit sein. Akendor ist schwächlich, und der Regen wird seine Flucht verlangsamen.«
    Eine Erschütterung unter ihren Füßen … Darna Nihirdi hielt sich an der Wand fest. »Nicht, solange sein Leibwächter bei ihm ist. Ohne Garalac hätte er nicht fliehen können, niemals … oh, wir hätten wissen müssen, dass wir dem Troublinier nicht trauen können!« Sie hieb wütend mit der Faust gegen den Stein.
    »Wir können sie verfolgen«, schlug der Klippenritter vor. »Keine halbe Stunde ist seit der Flucht verstrichen. Sie müssen eines der Boote genommen haben und so durch den Kanal der Silbernen Münzen geflohen sein. Alle anderen Wasserwege sind … nicht befahrbar.«
    Die Fürstin nickte. »Ich weiß. Das Wasser tritt in der ganzen Stadt über die Ufer, schwarz wie Sithalit. Die Schatten trüben es.« Sie kniff die Augen zusammen, als wollte sie vermeiden, in Tränen auszubrechen.
    »Der Kanal führt durch einen Tunnel zum See Bredayn … zur Insel, wo die Toten begraben sind. Sollen wir den Kaiser dort suchen, Herrin? Oder einige Ritter zum Palast schicken, um Fürst Binhipar zu finden? Er wird wissen wollen, dass der Kaiser verschwunden ist.«
    Darna schüttelte den Kopf. »Niemand darf meinem Mann folgen … nur er kennt den Weg in den Palast, und er wollte allein sein, ohne Begleitung. Und was würde es ändern, ihm die Nachricht zu überbringen? Akendor ist fort. Wir können nichts tun. Wir müssen sehen, wie wir selbst mit dem Leben davonkommen.«
    Ein weiterer Stoß erschütterte den Turm. Gendor bewegte sich, kippte langsam in die Schräge.
    Die Klippenritter schrien auf, suchten an den steinernen Wänden Halt.
    »Es ist wie damals in Nandar«, flüsterte die Fürstin. »Die Quellen strafen uns für unsere Gier.« Sie sank vor der offenen Tür zu Boden, während der Turm sich weiter neigte, die Möbel im Turmzimmer ins Rutschen gerieten und gegen die Wände krachten. »Es gibt kein Entkommen … wie mein Sohn Blidor sterben auch wir. Ich wusste es, Binhipar. Ich wusste es!«
    »Steht auf, Herrin!« Der Klippenritter reichte ihr die Hand, seine Augen vor Schrecken geweitet. Die anderen eilten bereits die Treppe hinab, voller Angst, unter den Trümmern des Turms begraben zu werden.
    »Steht auf! Rasch!«
    Die Decke über ihnen zerriss. Kein Spalt im Gemäuer. Keine herabfallenden Steine. Nur silbriges Licht. Es war der Mond, der durch eine trübe, gläserne Schicht auf sie hinableuchtete; ein durchsichtiger Keil, ins Gemäuer getrieben. Er zerschnitt den Turm wie eine Klinge, teilte Mauern und Treppen ohne jedes Geräusch. Ein

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